Spieletest: Ghost Trick: Phantom-Detektiv NDS
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Releasedate:14. Januar 2011



Anzahl der Spieler: 1
Leser-Meinungen: 1 Meinungen
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Specials: keine
Plus / Minus
- Positiv:
- verdammt spannende Story
- sehr kreative Gameplay-Idee und gute Umsetzung derselben
- enorm geschmeidige Animationen
- Fesselt gnadenlos...
- Negativ:
- ...zumindest nach dem recht unspektakulären Einstieg.
- wenig Wiederspielwert nach dem ersten Durchgang
The Candle of the Poltergeist
Aber Story ist ja freilich nicht alles – nach all dem Lob zu den erzählerischen Qualitäten stellt sich freilich eine wichtige Frage: Kann Ghost Trick spielerisch ebenfalls überzeugen? Ja, definitiv – aber auch hier gilt, dass die Software eine Weile braucht, um wirklich in die Gänge zu kommen. Aber von Anfang an: Das grundsätzliche Spielprinzip beruht wie gesagt darauf, dass Sissel dazu in der Lage ist, unbelebte Gegenstände zu übernehmen und zu manipulieren – steckt sein durch eine blaue Flamme dargestellter Geist etwa in einer Werkzeugkiste, so kann er sie öffnen und schließen, mit einer Flagge ist gut Flattern, eine Fernbedienung kann den TV ein- und ausschalten, eine bewaffnete Ritterrüstung ihr Schwert schwingen et cetera. Aber natürlich ist das Ganze gewissen Einschränkungen unterworfen: Sissel kann einerseits nur von jenen Dingen Besitz ergreifen, die mit einem sogenannten „Kern“ ausgestattet sind; wechselt er per Knopfdruck oder Touchscreen (ähnlich der Phoenix Wright-Serie kann auch hier jederzeit zwischen einer Steuerungsvariante per Touchscreen oder Buttons gewechselt werden) in die parallele „Geisterwelt“, so bleibt die Zeit stehen, die Umgebung wird silhouettenhaft dargestellt und „greifbare“ Gegenstände mit blauen Punkten (jenen Kernen) markiert – nach einer Rückkehr ins Diesseits spielt unser Held dann auf Befehl den Poltergeist.
Andererseits ist Sissels Reichweite allerdings stark begrenzt: In der Geisterwelt kann per Steuerkreuz oder Stylus versucht werden, eine Linie von einem Kern zum anderen zu ziehen – manchmal kein Problem (einige Items sind auch nicht einmal manipulierbar, sondern dienen nur als „Inseln“ zur Fortbewegung), schwierig, wenn die Distanz einfach zu groß scheint. Dann ist „Trick-Zeit“: Wie wäre es etwa, mit einem Ventilator Büropapiere vom Tisch zu wehen, solange ein Dokument noch in Reichweite ist, in die Geisterwelt zu wechseln, selbiges in Besitz zu nehmen und somit leicht wie eine Feder durch den gesamten Raum zu fliegen? Oder sich in der kugelsicheren Weste eines Polizisten zu verstecken und den “Freund und Helfer” somit als Fortbewegungsmittel zu nutzen? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, ob es nun darum geht, einfach nur von A nach B zu kommen (und eventuell ein Telefon zu erreichen, um auf extravagante Art durch die Kabeln zu neuen Gebieten zu reisen), bestimmte Missionen zu erfüllen (wie die Infiltration eines Gefängnisses) – oder Morde zu verhindern.
Wie Minority Report, nur andersrum!
Und genau dies ist ein ganz zentrales Spielelement: Stößt Sissel auf die Leiche eines frisch verschiedenen, so kann er in die Vergangenheit reisen, um den Unglücklichen oder die Unglückliche zu retten – in diesem Fall läuft zunächst ein Film ab, der die letzten vier Minuten vor dem Ableben des bemitleidenswerten Zeitgenossen zeigt; danach fängt diese Zeitspanne von vorne an – mit dem Unterschied, dass wir nun selbst mitmischen und das Schicksal abwenden können. Aber Achtung: Logischerweise existiert hier ein entsprechendes Zeitlimit, und bringen wir nichts zu Stande, was das Schicksal des Opfers modifiziert, so laufen die Geschehnisse exakt so ab, wie sie gerade im Video gezeigt wurden. Wird aber etwas geändert, so klein es auch sei, dann haben wir eine „Schicksalsänderung“ erreicht, welche als Checkpoint fungiert (jede Zeitreiseaufgabe kann beliebig oft von Beginn oder eben der letzten Schicksalsänderung an wiederholt werden): Nimmt Sissel etwa eine Schranke in Besitz, klappt sie hoch und schlägt dadurch Lynnes Mörder die Waffe aus der Hand, ist die Bedrohung noch nicht abgewandt, denn er schnappt sich seine Flinte natürlich rasch wieder – dennoch konnte unsere Freundin in der Zwischenzeit immerhin ein paar Meter weiter fliehen, bevor sie wieder die Hände hochnehmen muss. Auch wenn es auf den ersten Blick wenig gebracht zu haben scheint, wurde ihr Schicksal somit geringfügig verändert – beim zweiten Hinschauen hingegen ergeben sich durch die neue Position der Parteien und der Schranke in Hinblick auf die übrigen manipulierbaren Objekte wieder ganz neue Möglichkeiten...
Dieses wirklich frische Gameplay fasziniert anfangs - erweckt jedoch auch nach den ersten noch recht einfachen Aufgaben die Befürchtung, nach einer Weile ein wenig repetitiv zu werden. Aber, gute Nachricht: Dem ist nicht so! Ebenso wie die Story werden auch die spielerischen Aufgaben stetig komplexer – sehr bald reicht es bei weitem nicht mehr, einfach nur alle Objekte durchzugehen und zu schauen, was sich damit denn anstellen lässt. Das heißt, frei von Trial&Error ist das Spiel sicherlich nicht – aber es geht um Trial&Error in seiner schönsten, intelligentesten Form! Den Bildschirmausschnitt verschieben und jeden Winkel der Szenarie innerhalb der schicksalshaften vier Minuten untersuchen, Handlungen und Gespräche der Beteiligten analysieren und einen groben Schlachtplan entwerfen wird rasch zur Pflicht – aber um eine konkrete zündende Idee zu bekommen, ist es natürlich stets auch nötig zu wissen, welche Objekte sich wie manipulieren lassen: Hier einen Globus drehen, dort eine Urne umwerfen, da wiederum die Halterung eines Bilderrahmens lösen – experimentiert ihr, kommen die Lösungsansätze mit der Zeit schon von allein; auf dem Silbertablett serviert wird nichts (Auch wenn die Unterhaltungen zwischen Sissel und dem Ermordeten, dessen Seele ebenfalls die Zeitreise mitmacht und somit seinen eigenen Tod kommentiert, natürlich mehr oder minder versteckte Hinweise enthalten). Auch wenn sich eure Taktik letztendlich als falsch herausstellt, ist dies nie frustrierend – vielleicht muss sie einfach etwas abgewandelt werden, um doch noch Erfolg zu haben!
Durch den Zeitfaktor kommt hier noch ein gewisser (spannender) Stress und zusätzliche Tiefe hinzu – um etwa eine tödliche Falle der Marke „böser Zwilling des Domino Days“ zu „entschärfen“, muss exakt im richtigen Moment eingegriffen werden, um den Domino-Effekt zu unterbrechen. Ebenso kann in der „Vier-Minuten-vor-Tod“-Welt nur dann über Telefonleitungen gereist werden, wenn die zugehörigen Fernsprecher gerade genutzt werden: Will Sissel zu einem anderen Gebiet wechseln, sollte er einerseits gut überdenken, ob dies für die Vereitlung des aktuellen Mordes notwendig ist oder sie vielmehr verunmöglicht und andererseits, wenn er sich dafür entscheidet, schnell genug zum Apparat kommen: Liegt der Hörer bei seinem Eintreffen nämlich schon wieder auf der Gabel, so ist Endstation. Aber auch hier will ich nicht zu viel verraten, jedoch versprechen, dass die Fälle mit der Zeit immer interessanter werden und der spielerische Anspruch stets steigt – im späteren Verlauf der Geschichte kommt auch noch ein gänzlich neues Element hinzu, welches den Rätseln eine komplett andere Dimension hinzufügt, über das ich in diesem Review aber den Mantel des Schweigens breite. Erwähnt werden soll aber noch, dass wieder ins Leben zurückgekehrte Mordopfer Sissels Stimme von nun an wahrnehmen, wodurch die Story mit der Zeit immer dichter wird und der Protagonist so mehr und mehr in Dialoge einbezogen wird, während er anfangs als unsicht- und -hörbarer Geist von allen Lebenden ignoriert wurde.