Spieletest: Ghost Trick: Phantom-Detektiv NDS

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Weitere Infos

Releasedate:
14. Januar 2011

USK 6 keine Onlinefunktion unterstützt MyNintendo nicht

Anzahl der Spieler: 1

Leser-Meinungen: 1 Meinungen

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Specials: keine

Plus / Minus

Positiv:
verdammt spannende Story
sehr kreative Gameplay-Idee und gute Umsetzung derselben
enorm geschmeidige Animationen
Fesselt gnadenlos...
Negativ:
...zumindest nach dem recht unspektakulären Einstieg.
wenig Wiederspielwert nach dem ersten Durchgang

Was geschieht, wenn Mario in einer bodenlosen Grube, Link im Dodongo-Magen oder Samus auf einem explodierenden Planeten endet? Richtig – nichts geschieht mehr...denn das war´s. Aus, Ende, Game Over. Es gibt Spiele, die dieser unumstößlichen Regel folgen – und es gibt solche wie Ghost Trick, der neueste Streich von Ace Attorney-Erfinder Shu Takumi: Serienprotagonist Phoenix Wright hielt in jener Saga schon gerne ab und an einen Plausch mit den Geistern der Toten – das neue Werk von Takumi-san geht hingegen noch einen gewaltigen Schritt weiter. Genauer gesagt: Ihr seid Sissel, habt euer Gedächtnis verloren – und seid tot.

Nein, ernsthaft, ihr seid wirklich tot! Bereits zu Spielbeginn liegt der Körper eures Bildschirmhelden reglos auf dem Gelände eines schäbigen Schrottplatzes – kein schöner Anblick für Sissels Geist. Der kann sich zwar an nichts mehr erinnern, was vor seinem Ableben geschah, ist aber fest entschlossen, seinen eigenen Mord aufzuklären – und zwar schnell: Schließlich hat ihn die nette Schreibtischlampe Ray informiert, dass die Seele des Guten mit dem nächsten Sonnenaufgang gänzlich aus dem Diesseits verschwinden wird – Zeitpunkt des Todes war kurz nach 19 Uhr, viel Zeit bleibt also nicht mehr. Dafür verfügt Sissel, so Ray, von nun an über die „Kräfte der Toten“, mittels welcher er unbelebte Dinge manipulieren und in Gegenwart einer Leiche in die Zeit vier Minuten vor deren Tod zurückreisen kann, um das Schicksal zu ändern und den Exitus zu verhindern. Praktisch, da jenes junge Mädchen, welches offenbar die Leiche unseres Helden aufgefunden hat und möglicherweise über Informationen zu den Umständen seiner Ermordung verfügt, gerade von einem dem „kurzsichtigen Jeego“, einem blauhäutigen Auftragskiller, der seinem Namen alle Ehre macht, über den Haufen geschossen wurde...

Was zur Hölle?!

Die Chancen stehen gut, dass eure Gedanken unmittelbar nach dem Lesen dieser Zusammenfassung so oder ähnlich lauten. Und gewiss nicht grundlos; spätestens, wenn der blütenweiß gekleidete, ständig tänzelnde und wie ein Hybrid aus Elvis und John Travolta wirkende Kommissar am Tatort antanzt (welch Wortwitz), mutet das Geschehen endgültig ziemlich fremdartig an: Der optische Stil der bei jedem Gespräch eingeblendeten Artworks ist gewöhnungsbedürftig, etwas arg abgehoben und überzeichnet erscheinen Charaktere und Szenario, und nachdem schon sehr bald nach dem Erretten der jungen Dame bereits der zweite, optisch fast identische Auftragskiller auf der Matte steht, mag man schon befürchten, das gesamte Spiel würde daraus bestehen, die rothaarige Lynne wieder und wieder vor bläulichen Assasinen vom Fließband retten zu müssen, während eine kuriose, aber wenig tiefgründige Story seicht im Hintergrund vor sich hin dümpelt.

Teuflisch gut!

Nur: Glücklicherweise bewahrheitet sich nicht alles, was man aus welchen Gründen auch immer „befürchten mag“. Manchmal tut man einem Titel in den ersten ein, zwei Spielstunden Unrecht, nur um schon bald darauf festzustellen, dass man seit 18 Jahren der Zunft der Videospieler angehört, aber noch nie ein Stück Software mit dermaßen krassen Storywendungen in die Finger bekommen hat!

Glaubt mir: Auch wenn ihr nur den Packungstext eines Japano-RPGs lesen müsst, um eine zutreffende Prognose stellen zu können, welcher Endboss der Heldengruppe im Finale gegenüberstehen wird – zu Beginn von Ghost Trick werdet ihr nie und nimmer erraten, wie die Sache ausgeht! Während die Story voranschreitet, werden fortlaufend Geheimnisse gelüftet und geschaffen, werden Fragen beantwortet, nur um wieder neue aufzuwerfen, werden Schicksal und Charakter der Figuren immer genauer beleuchtet, wodurch sie viel mehr werden als überdrehte Karikaturen, wie sie vielleicht zu Beginn der Geschichte wirkten. Anfangs ist der Spieler genauso ahnungslos wie sein Bildschirmheld – erst nach und nach werden die Zusammenhänge klar, während beide gemeinsam Informationen sammeln, im Zuge dessen zuvor eindimensional scheinende Charaktere schon bald beachtliche Tiefgründigkeit entwickeln.

Ihr merkt schon: Ich rede hier bewusst um den heißen Brei herum, da ich euch keinesfalls Details zur Story verraten will. Nur soviel: Es gab Wendungen, die mich völlig unvorbereitet trafen und solche, die ich mir selbst schon in meinem Kopf zusammengesponnen hatte, dabei dachte „Nein, solche verrückten Twists sind sogar für Takumi und Konsorten zu krass!“ - und dann tatsächlich eintrafen. Mehr als einmal wird alles auf den Kopf gestellt, wenn man zu wissen glaubte, der Wahrheit hinter Sissels Tod schon sehr nahe gekommen zu sein. Kurz: Die Story ist vollkommen abgedreht, aber stimmig, irre, aber nachvollziehbar, surreal, aber glaubwürdig – und dabei bisweilen sehr ernst, aber andererseits mit viel Situationskomik versehen und trotz zahlreicher Todesfälle überraschend fröhlich, denn wozu können wir schließlich in die Zeit zurückreisen und tragische Schicksale ändern? Großer Respekt an die Entwickler – und ein Extralob für die tadellose Lokalisierung, für welche übrigens unter anderem ein gewisser Florian Seidel verantwortlich war: Ob es sich bei dem Herren wohl um einen ehemaligen big.N-Redakteur handelt?

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