Spieletest: EarthBound SNES
Weitere Infos
Releasedate:1. Juni 1995


Anzahl der Spieler: 1
Leser-Meinungen: Noch keine
Specials: keine
Plus / Minus
- Positiv:
- einzigartige Atmosphäre, viele Gags
- tolle Musik
- einsteigerfreundlich und doch komplex
- spielt sich wirklich gut...
- Negativ:
- ...wenn auch nicht besonders innovativ
- grafisch schon 1995 etwas anachronistisch
- Inventar/Item-Lagerung etwas unpraktisch
- Stil für manche sicher gewöhnungsbedürftig
Nein – ganz und gar nicht!
Denn die wahre Einzigartigkeit dieses Klassikers liegt anderswo: Darin, dass er, vom Gameplay abgesehen, genüsslich auf sämtliche Konventionen des RPG-Genres preift und selbige noch genüsslicher durch den Kakao zieht. Darin, dass die Entwickler wunderbar ihr eigenes Ding durchgezogen haben, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob das höchst wunderliche und technisch wenig beeindruckende Design die Verkäufe außerhalb Japans schmälern könnte. Darin, dass EarthBound eine völlig skurrile, bizarre bis absurde Welt erschafft, welche gleichzeitig glaubwürdiger daherkommt als zahlreiche andere Genre-Kollegen, ob nun damals oder heute!
WHAT A HORRIBLE NIGHT TO HAVE A...NEIGHBOUR?!
Aber eines nach dem anderen: Unsere Geschichte startet im beschaulichen Onett, einer US-Vorstadtsiedlung wie aus dem (kitschigen) Bilderbuch mit starker Tendenz zur Karikatur. Der junge Hauptcharakter Ness wird zu später Stunde von dem Nachbarsjungen Pokey (alias Porky – Super Smash Bros. Brawl-Spielern ist der Gute kein Unbekannter) aus dem Schlaf gerissen, um nach dessen vermissten kleinen Bruder zu suchen. Im Zuge dieser Rettungsaktion stoßen die Kinder auf einige seltsame Kreaturen und einen von schwerem Polizeiaufgebot bewachten Meteor, dem Buzz Buzz, ein intergalaktischer Held in Insektengestalt, entsteigt, der prompt in dem PSI-begabten Ness einen Auserwählten erkennt und ihm aufträgt, zu acht mystischen Stätten zu pilgern, auf dass er genug Kraft sammle, um eine schreckliche Zukunft abzuwenden, in welcher das fiese Alien Gygas Erde und Universum terrorisiert. So machen sich Ness und Buzz auf den Weg, die Welt zu retten – bis Porkys hysterische Mutter letzteren bei Anblick dieser „Schmeißfliege“ prompt erschlägt...
Herzergreifende Momente
Ja, wirklich. Und spätestens bei der allzu dramatisch inszenierten Sterbeszene des heldenhaften Insekts bricht die Selbstironie dieser enorm weit hergeholten Hintergrundgeschichte spürbar durch: Der schablonenhafte Auftrag, eine Anzahl x von den Objekten y zu sammeln (bzw. in diesem Fall zu besuchen), welcher von einem sterbenden Freund/Mentor an den Helden herangetragen wird, gehört ebenso wie besagter NPC selbst zu den absoluten RPG-Versatzstücken, wofür schon alleine bei Square Unmengen an Beispielen zu finden sind (Wie singt brentalfloss doch so passend über die Final Fantasy-Serie: „We must save the crystals, or orbs, or the moon – whatever!“), und karikiert gleichzeitig durch die bizarre Verzerrung der ins Alltäglich-Belanglose gedrängten Tragödie sein eigenes Genre.
Berufswunsch Dungeon-Designer
Überwiegend weniger makabere, aber keineswegs weniger deutliche und bissige Selbstironie als besagtes Beispiel zieht sich durchs gesamte Spiel: Ob nun die Städte, welche offen zugeben, einfach nach der Reihenfolge des Besuchs der Protagonisten benannt zu sein (Wer sich wie der Schreiber dieser Zeilen in der Vergangenheit beim Smash Bros.-Spielen schon öfters gefragt hat, wie die Orte Onett und Fourside zu ihren seltsamen Namen gekommen sind, wird klarer sehen, wenn Ness und Konsorten zwischen besagten beiden Siedlungen noch Twoson und Threed bereisen), oder besonders skurrile Nebenfiguren wie ein ambitionierter Dungeon-Designer, welcher davon träumt, eines Tages zu „Dungeon Man“ zu werden, einem Hybriden aus Mensch und Dungeon – Rollenspieler werden ein Dauergrinsen aufsetzen.
Das ruhmreiche Starmen-Team
Und nicht nur die – auch Nicht-Genre-Vernarrte können definitiv einen Blick riskieren: Einerseits aufgrund des unkomplizierten Einstiegs und auch heute noch äußerst komfortablen Gameplays, andererseits, da Earthbound generell mit – man möge die abgedrosche Phrase verzeihen, doch passt sie hier ausnahmsweise wirklich gut – Popkultur-Referenzen nur so gespickt ist! In diesem Pseudo-Amerika mit seinen Drug Stores, Pizzalieferdiensten, Spielhöllen, Konzerthallen und Wolkenkratzern trifft Japano-Slapstick auf unzählige Verweise und Seitenhiebe auf das Science Fiction- und Zombiefilm-Genre, die Beatles, die Blues Brothers, dubiose Sekten (Unvergessen die Lehre des „Happy-Happyism“, deren Anhänger die Farbe Blau anbeten), moderne Kunst und vieles mehr; Insider-Gags treffen auf puren Nonsens. Wenn dann auch noch völlig zusammenhangslos immer wieder an wichtigen Stellen der Story ein bärtiger Fotograf vom Himmel fällt, ein Foto macht und unmittelbar danach wieder davonschwebt und neben diversen fiesen Außerirdischen wie Gygas´ „Starmen“-Armee unzählige skurrile Gestalten der Marke „New Age Retro Hippie“ oder „Smelly Ghost“ bekämpft werden müssen, fühlt man sich bisweilen fast wie im Beatles-Musikfilm-Klassiker Yellow Submarine – verdammt, das namensgebende U-Boot hat sogar ein Cameo! Und apropos Musik: Im Gegensatz zur Grafik gibt es an dieser auch heute noch kaum etwas auszusetzen – manchmal episch, ab und an gruselig, meistens RPG-untypisch äußerst beschwingt und verdammt ohrwurmträchtig!