Need for Speed Unbound (PS5 / Xbox Series X/S)

Need for Speed Unbound (PS5 / Xbox Series X/S)

Need for Speed Heat war Ghost Games‘ und EAs letzter Versuch, dem Need for Speed Franchise wieder gehörig einzuheizen und PS auf die Straße zu bringen. Die Kritiken fielen jedoch durchwachsen aus. 2022 soll sich das Blatt nun endlich wenden und in uneingeschränktem Wohlwollen münden. Ob das den zurückgekehrten NfS Experten Criterion Games mit Need for Speed Unbound gelungen ist, erfahrt ihr in unserem lackfrischen Offtopic-Test für die Playstation 5.

Auf nach Lakeshore

Jedes Need for Speed braucht eine Heimatstadt, in der sich seine Geschichte und die wilden Straßenrennen abspielen, so auch Unbound. Euch verschlägt es als junger Racer nach Lakeshore, einer Stadt, die unverkennbar der US Stadt Chicago nachempfunden ist. Nach einer bewegten Vergangenheit findet ihr Zuflucht bei den Schraubern rund um den Werkstatt-Besitzer Rydell. Was sich anfangs als großer Spaß auf der Überholspur darstellt, wandelt sich schnell in ein dynamisches Unterfangen aus Verrat, Stolz und Wettbewerbseifer. Eine eurer treuesten Begleiter, Yaz, kehrt euch den Rücken und klaut mit einer Crew all eure und Rydells Wagen. Wie es sich für ein NfS gehört, lässt sich euer Protagonist von dem herben Rückschlag aber nicht aufhalten und der Spaß kann so richtig beginnen.

Day and Night

In Lakeshore werdet ihr insgesamt über vier Wochen auf ein großes Duell mit Yaz hinarbeiten bzw. -fahren. Dabei wird jeder Tag durch diverse Rennen begleitet, die ihr in Lakeshore erleben könnt. Egal ob Straßenrennen, Driftkurse oder Rundkurse, es wird euch einiges geboten. Neu sind die Takeover-Events, bei denen ihr alle Fahrfähigkeiten kombinieren und Punkte sammeln müsst, um am Ende mit einem saftigen Preisgeld belohnt zu werden. Wollt ihr zu einem dieser Events, um euch Geld zu verdienen, müsst ihr die Werkstadt verlassen und euch zu einem Treffpunkt aufmachen. Diese sind in der Regel immer Garagen, von denen die Renen starten. Habt ihr euch durch die Ranglisten gekämpft, könnt ihr zu Rydell zurückkehren und damit den jeweiligen Tag beenden. Tut ihr das, wechselt automatisch der Rhythmus. Denn jede Rückkehr wechselt den Tag-Nacht-Zyklus und lässt somit die Story im 4-Wochen-Konzept voranschreiten. Jeden Ingame-Samstag wartet ein Qualifikationsevent auf euch. Hiervon müsst ihr vier bestehen, ehe der große Showdown bestritten werden kann. Bis es soweit ist, gilt es aber sehr viel zu tun, um sich auch nur annähernd Chancen ausmalen zu können.

Wie es sich für ein anständiges NfS gehört, dürft ihr auch in Unbound auf rasante Cop-Jagden gespannt sein. Denn ihr habt ein Fahndungslevel, das euch prominent im Spielbildschirm in Form einer Flamme und Ziffer eingeblendet wird. Je mehr Unruhe ihr stiftet, desto höher steigt euer Heat-Level. Das ruft im Konfliktfall die umherfahrenden Cops auf den Plan, die euch verfolgen, um euch möglichst schnell die Handschellen anlegen zu können. Je höher die Stufe, desto heftiger die polizeilichen Maßnahmen. Straßensperren, Nagelbänder, gepanzerte Fahrzeuge und Heilikopterunterstützung, das ganze Programm ist von der Partie.

Gleichzeitig stürzt ihr euch nicht nur aus bloßer Spielfreude in die Rennen und Verfolgungsjagden, sondern es gibt auch einiges zu gewinnen bzw. zu verlieren. Denn wo ihr in Rennen durch gute Platzierungen Geld gewinnt, könnt ihr dieses an anderer Stelle durch Startgelder und schlechte Platzierungen oder zusätzlich angenommene Wetten gegen andere Fahrer verlieren. Ebenso werden erhaltene Gewinne nur dann eurem Konto gutgeschrieben, wenn ihr es zurück in die Garage oder ein Versteck geschafft habt. Verknackt euch die Polizei vorher, ist alles gesammelte des Tages bzw. der Nacht futsch – wägt also gut ab, wie weit ihr geht.

Drive to Pay

Wer sich Sorgen macht, dass EA direkt mit der nächsten großen Microtransactions-Flagge winkt, kann hier aufatmen. Ihr werdet gerade die ersten Spielstunden ordentlich Gas geben müssen, um Fortschritte zu erreichen. Sie fühlen sich dafür aber umso genugtuender an. Ihr nehmt nicht nur an Rennen und Events teil, sondern könnt in ganz Lakeshore etliche Sammelitems finden. Dazu zählen die längst bekannten und zerstörbaren Plakatwände, aber auch neu hinzugefügte Graffitis und verstimmt-wirkende Riesenbären, die mit eurem Auto aufgepiekst werden sollen – warum auch immer. Darüber hinaus dürft ihr Radarfallen zum Brummen bringen oder durch Geschwindigkeitszonen rasen sowie Driftchallenges absolvieren. All das bringt extra Geld, das ihr gut gebrauchen können werdet.

Neue Teile, neues Glück

In NfS Unbound wurde endlich wieder eine gut durchdachte und reichhaltige Tuning-Komponente integriert. Ihr könnt für erspieltes Geld die Garage von Basis bis zu Elite erweitern, sodass euch die feinsten Autoteile zum Tuning zur Verfügung stehen, die Lakeshore zu bieten hat. Aber auch leistungssteigernde Teile wie Antrieb, Getriebe, Reifen und einiges mehr dürfen nach Herzenslust eingebaut werden. Da es hier schnell kostspielig wird, müsst ihr erwähntermaßen am Anfang ranklotzen, ehe euch die ersten richtig flinken Flitzer zur Verfügung stehen. Fantastisch gelöst ist, dass sich die unterschiedlichen Teile ganz spürbar auf das Fahrgefühl auswirken. Die Bodenhaftung, die Beschleunigung, das Handling und Fahrgefühl, alles kann beeinflusst werden. Gleichzeitig zeigen euch die Fahrzeugklassen B bis S+ an, wie gut ausgebaut euer Wagen ist. Da sich im Spielverlauf immer mehr Rennen für verschiedene Wagenklassen anbieten, müsst ihr eure Autos nicht nur weiterentwickeln, sondern auch verschiedene Klassen in den Fuhrpark integrieren. Was ihr deutlich schneller und meist ohne zusätzliche Kosten dürft, ist die Anpassung der Designs. Egal ob Folien, Sticker oder Farben, NfS Unbound lässt euch kräftig in die Kreativkiste greifen. Wir haben große Freude bei der Anpassung der Motorsounds gehabt, ebenso bei der Konfiguration der neuen Rauch- und Auspuffeffekte. Denn Unbound ist anders. Wie ihr wahrscheinlich längst seit der Ankündigung des Spiels wisst, setzt Criterion Games auf neue Elemente bei der visuellen Gestaltung. Es gibt comicartige Komponenten, die sich recht gut in die sonst fotorealistische Welt Lakeshores integrieren. So schlagen bunte Flammen aus eurem Auto oder Emoji-artige Icons schweben in bestimmten Racing-Situationen über eurem Auto. Eine Pizza, Dollarzeichen oder Flügel bei Sprungpassagen waren unsere gern gesehenen Begleiter im Test.

Was optisch unter der Haube steckt

Optisch versucht Need for Speed Unbound natürlich auch zu glänzen. Dies möchten wir einem Spiel auch anraten, wenn es ausschließlich für die jüngsten Konsolengenerationen erscheint. Tatsächlich erwarten euch hier 4K und 60fps sowie eine prächtige Beleuchtung und tolles Raytracing. Verschiedene Grafik- oder Performance-Modi, wie wir es verwöhnt von Sonys Exklusivtiteln gewohnt sind, werden euch jedoch nicht angeboten. Wo Licht ist, ist meist aber auch Schatten, zumindest etwas. Die Schatteneffekte sind bei NfS Unbound nämlich nur so mäßig gelungen. Hinzu kommen diverse Popups und -ins, sowie Darstellungsfehler in der Umgebung, wenn ihr durch die Gegend rast. Amüsant ist auch die Feststellung, dass ihr nahezu alles über den Haufen nieten könnt. Selten bringt euch ein Baum zum Stillstand, ihr sägt ihn einfach ab. Große Plakatwände am Straßenrand können jedoch nicht aus ihren Verankerungen geschubst werden, schließlich erwartet Criterion Games, dass ihr im perfekten Flugwinkel für die Zerstörung sorgt. Ebenfalls witzig, aber nicht gerade realistisch ist die Integration von NPCs. Damit ihr euch nicht an einem menschenleeren Lakeshore stören müsst, wurden Passanten integriert und das nicht zu knapp. Das ständige Gewusel der im Grunde unbeschäftigten Personen sorgt dafür, dass sie euch ständig aus dem Weg springen müssen, um nicht erfasst zu werden. Das sieht in der Konsequenz nicht authentisch, sondern eher aus, als wären sie an einer Strippe schnell aus dem Bildschirm gezogen worden.

NfS ist mit und gegen andere?

Natürlich steht ein Need for Speed auch immer für die Erwartungshaltung, den Racingspaß lokal oder online mit Freunden teilen zu können. Leider muss an dieser Stelle direkt auf die Bremse gedrückt werden, da es weder ein lokaler noch online-angebundener Splitscreen ins Spiel geschafft hat. Hingegen dürft ihr einen abgekoppelten Lakeshore Online-Modus spielen, der wiederum ermöglicht, dass ihr die Story sonst komplett offline genießen dürft – auch keine Seltenheit bei EA.

Die Kehrseite dessen ist dennoch, dass ihr eine neue Story anfangen und sogar komplett zurück in den Charakter-Editor und die Fahrzeugauswahl geworfen werdet. Da ist es schön und gut, dass euch für die Ausstattung eurer Spielfigur diverse Gesichts-Modifikationen und Marken-Klamotten zur Verfügung stehen, diese Auswahl vielleicht aber längst gründlich im Offline-Spiel getroffen wurde. Auch dürft ihr Online keine Polizeiverfolgungen oder Nachtfahrten erwarten, denn beides ist dem Offline-Singleplayer-Spiel vorbehalten. Fortschritte sind äußerst überschaubar übertragbar. Lediglich Sammelobjekte können übernommen bzw. fortgeführt werden. Warum man dies nicht analog für den Fuhrpark, Charaktere u.a. realisiert hat, bleibt ein Rätsel.

Das Matchmaking im Online-Spiel funktioniert relativ simpel. Entweder ihr wählt euch über Interfaces in Fahrzeugklassen und zugehörige Rennkombis, sogenannte Playlists, ein oder ihr geht in die freie Fahrt und schaut, ob ihr ein Live-Event gegen andere Starten wollt oder eine andere Spieleinladung annehmt. Trotz der Tatsache, dass für alle Rennen deutlich attraktivere Preisgelder winken, als ihr in den ersten Spielstunden des Offline-Modus erwarten dürft, fühlen sich die Duelle gegen echte Gegner nur bedingt spaßig an. Denn wo die Lobby nicht ausreichend gefüllt werden kann, wird auch gern mal mit einer garantierten Podiumsbesetzung gestartet. Dass man hier keine KI Gegner zum Auffüllen eingebaut hat, wirkt schlicht unausgegoren.

Eindimensionaler Sound

Wo ihr euch früher teilweise in Need for Speeds auf eine immense Playlist mit individuell überspringbaren Titeln freuen durftet, damit ihr genau den Geschwindigkeitsrausch fühlt, den ihr gerade erlebt, müsst ihr jetzt genügsamer sein. Obwohl ihr eine Musikauswahl eingeblendet und abgespielt bekommt, könnt ihr diese nicht konfigurieren. Überraschenderweise wurde nahezu ausschließlich auf Hip-Hop gesetzt, jedoch in der deutschen Spielversion auch auf viel (deutsch-)Rap. Das ist auf Dauer zu eindimensional und verpasst viele Chancen, die bei nitrogeladenen Spielmomenten früher durch Elektro- oder basslastige Sounds deutlich besser genutzt wurden. Darüber hinaus verpuffen manche der wunderbar erarbeiteten Fahrzeug- und Motorensounds durch eine suboptimale Gamesound-Abmischung. Gegebenenfalls patcht Criterion aber auch an dieser Stelle nach.

Spielspaß und Langzeitmotivation

Eine wichtige Frage, die für NfS Unbound geklärt werden muss, ist natürlich die nach der Qualität im Vergleich zu seinen vielen Vorgängern. Dazu kann ein klar positives Zwischenfazit gezogen werden, denn Unbound schafft es, den Spieler wieder deutlich näher an die Wurzeln des einstigen Erfolgs-Franchises zu führen. Rasante Action, eine fantastische Wagenauswahl mit über 130 Fahrzeugen und ein mutiges, neues Designkonzept sorgen für viel Spaß.

Was hingegen wenig motiviert, sind die sehr repetitiven Wege von der Werkstatt zu gleichen oder ähnlichen Treffpunkten als Startpunkt von Rennen. Schnellreisen oder Abkürzungen sind hier Fehlanzeige. Klar schaltet ihr im Verlauf des Spiels weitere Verstecke frei, von denen aus ihr aufbrecht, wenn ein Rennen dort nähergelegen ist, aber die Wege müssen trotzdem gemacht werden. Wenigstens peppen kurzfristige Zusatzaufgaben diese Taxifahrten auf. Denn immer wieder erhaltet ihr einen Anruf – eins eurer zuverlässigsten Informationsmedien im Spiel – um andere Racer zu ihren Unterschlüpfen zu bringen, die zu euren Verstecken werden. Alternativ werdet ihr gebeten, ein paar sehr schicke Boliden zu überführen, wodurch ihr schon früh im Spiel einen hervorragenden Eindruck vom Potenzial des Spiels mit Sportwagen erhaltet – das motiviert ordentlich voranzukommen.

FAZIT

Need for Speed Unbound ist Rausch erzeugend! Die Fusion von 4K-Realismus, Comic-Effekten und Charakter-Designs sorgen für eine erfrischende Wiederbelebung des NfS Franchises durch Criterion Games. Ihr erlebt in Lakeshore viel Rennaction, die sich an Profis und Anfänger gleichermaßen richten. Bekannte Inhalte wie Sammelitems wurden beibehalten, neue Modi wie Takeover-Events oder ein reichhaltiger Tuning-Shop mit verbesserbarer Garage integriert. Der Online-Modus ist vom offline-Singleplayer-Spiel abgekoppelt, verzichtet aber ebenso auf einen Splitscreen-Modus. Immer wieder werden Wege wiederholt, um zu Treffpunkten zu kommen oder hart erfahrenes Geld abzusichern. Insgesamt liefert EA endlich wieder einen nennenswerten NfS Titel, der jedoch weiterhin Features aufzeigt, die der Community einfach nicht vorenthalten werden sollten. Wer dennoch auf dem Gas bleibt, wird sich auf einen rasanten Arcade-Racer freuen dürfen, der sein Grundhandwerk endlich wieder versteht, ohne Gummibänder fliegen lassen zu müssen!

Grafik 8
Sound 8
Story 7
Gameplay 8.5
Multiplayer 6
Spielspaß 8
Vielseitigkeit 7

GESAMT 7.5

PRO:
Erfrischendes Design-Konzept
reichhaltige Tuning-Werkstatt
ansprechender Fuhrpark
Tag-Nacht-Rhythmus
Offline-Singleplayer
keine Mikrotransaktionen

CONTRA:
unausgewogene Cop-Jagden
repetitive Wege
Fortschrittstrennung offline-online
kein Splitscreen
merkwürdiges Passanten-Verhalten

Danke an EA Games für die Bereitstellung des Testmusters.

verfasst von „ Maik“

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Letzte Aktualisierung: 17.12.2022, 20:38 Uhr