Nicht nur die vorherrschende Wii-Spieleflaute macht Project Zero 2 interessant – das gruselige Abenteuer kann, auch wenn es aufrund vermeidbarer Designmängel kein absolutes Topspiel geworden ist, mit Spannung, Atmosphäre und, wenn man sich denn an die bisweilen seltsame Steuerung gewohnt hat, auch spielerisch überzeugen. Ein gutes Horrorspiel abseits des Splatter-Mainstreams!
Spieletest: Project Zero 2: Wii Edition WII
Weitere Infos
Releasedate:29. Juni 2012





Anzahl der Spieler: 1
Leser-Meinungen: Noch keine
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Specials: keine
Plus / Minus
- Positiv:
- Story und Szenario spanned und atmsophärisch
- Motivierende RPG-Elemente
- Interessantes Kampfsystem...
- Negativ:
- ...aber bisweilen etwas eintönig
- Schleichende Hauptfigur, auch beim "Rennen"
- teils unpraktische Steuerung
Leider zeichnet es sich ja schon deutlich ab, dass wir für Wii keine Spieleflut mehr erwarten dürfen – das Schicksal der Wii-Version von Dragon Quest X ist ungewiss, die Kirby-Collection wird sicherlich liebevoll, aber auch "nur" eine Retro-Sammlung und außer Micky Epic 2 werden potentielle Hits im Herbst wohl eher Mangelware sein. Umso erfreulicher, dass Nintendo den Sommerstart mit zwei ebenso interessanten wie unterschiedlichen Wii-Titeln zelebriert: Auf der einen Seite das bunt-überdrehte Rhythm Paradise, auf der anderen Seite feiner Japano-Horror mit dem Remake des PS2-Klassikers Project Zero 2.
Das verschwundene Dorf
Eine "Crimson Butterlfly", welche einst dem Original auf der Sony-Konsole den Untertitel lieh, oder zu Deutsch ein "scharlachroter Schmetterling" bringt Mayu, Zwillingsschwester von Mio, über welche ihr zu Spielbeginn die Kontroller übernehmt, auf seltsame Art und Weise in ihre Gewalt – scheinbar willenlos folgt das junge Mädchen dem so harmlos scheinenden Tierchen in die Tiefen des Waldes, ohne auf die Zurufe ihrer Schwester zu reagieren. Als sich die beiden wieder aufeinandertreffen, befinden sie sich bei tiefster Nacht in dem mysteriösen "verschwundenen Dorf", von welchem man sich die grausigsten Geschichten erzählt...und das, wie sich bald erweisen soll, mit Fug und Recht!
Wie im ebenfalls bereits getesteten 3DS-Ableger Spirit Camera: Das verfluchte Tagebuch erwehren sich die beiden dabei ihrer Haut mit der geheimnisvollen Camera-Obscura, welche sie in einem alten (scheinbar) verlassenen Haus finden – in jener Siedlung spukt es nämlich ganz gewaltig und nur besagter altertümlicher Fotoapparat kann die feindseligen Geister bannen, indem er sie ganz einfach ablichtet!
Die Kamera ist mächtiger als das Schwert...
Wobei "einfach" natürlich relativ bleibt, denn die Sache ist einfacher gesagt als getan: Während schon in der etwas simpleren 3DS-Version eine ruhige Hand und schnelle Reaktionen wesentlich mehr bringen als wahlloses Geknipse, ist das Kampfsystem in Project Zero 2 komplexer als es anfangs aussieht.
Auch hier ist aber ein ganz zentraler Punkt, die Geister möglichst lange im Sucher der Kamera zu zentrieren (eine optionale Lock-On-Funktion kann hier helfen, nimmt uns aber nicht die ganze Arbeit ab), bis sich eine Anzeige füllt und ein "Superschuss" abgegeben werden kann, der dem Geist mächtig an den Kragen (oder so) geht. Den wilden Paparazzo spielen ist ohnehin nicht ratsam, da nach jedem Schnappschuss erst eine Weile gewartet werden muss, bis der nächste "Angriff" möglich ist – und nicht selten geht einem dann zwischenzeitlich der nächste Geist an die Gurgel: Geschieht dies, kann nur noch mit heftigem Wiimote-Geschüttel Schadensbegrenzung betrieben werden.
...und hat viele versteckte Zusatzfunktionen!
Anfangs noch ziemlich simpel, offenbaren sich mit der Zeit aber einige zusätzliche Facetten: So kann die Kamera bald RPG-mäßig nicht nur aus- (verschiedene Arten von Filmrollen stehen im Wesentlichen für alternative Munition), sondern auch aufgerüstet werden, indem Erfahrungspunkte (ja, solche gibt es!) in verschiedene Attribute wie Angriffskraft oder schnelleres Wiederaufladen (damit die Fotos in kürzeren Intervallen geschossen werden können) investiert werden.
Dann gibt es auch noch nach dem Aufsammeln automatisch ausgerüstete Erweiterungen wie die Möglichkeit, kurz vor Geistkontakt jenem wiederum durch eine Controller-Schütteleinlage im richtigen Moment auszuweichen und ausrüstbare Sekundärwaffen wie etwa einen "Spezialschuss", der Geister für einen kurzen Moment bewegungsunfähig macht, dafür aber ein "Geistpunkt" konsumiert: Von diesen sind anfangs drei vorhanden, die Maximalanzahl kann aber später wieder durch EXP erhöht werden, wie auch die Effizienz der Sekundärwaffen.
Man sieht, nach kurzer Spielzeit gewinnen die Kämpfe schon an Komplexität und haben durchaus ihren Reiz – an das Variantenreichtum z.B. der Duelle eines Zelda kommen sie aber nicht heran. Oder, um einen etwas passenderen Vergleich zu bemühen: Auch in Luigi´s Mansion ist man nur mit einem sehr begrenzten "Waffenarsenal" unterwegs, aber originelle Ideen und das Tempo machten hier viel wett – und gerade letzteres fehlt Project Zero 2 ziemlich deutlich.
Sonic, invertiert
Denn nicht nur den in der Ego-Perspektive ausgetragenen Kämpfen, sondern auch dem übrigen Third Person-Spielablauf (zwischen den beiden Ansichten kann mittels B gewechselt werden) ist anzukreiden, dass vieles fast schon in Zeitlupe geschieht: Die ungewöhnliche Aufsammel-Mechanik "Halte A gedrückt, um die Hand auszustrecken, bis du das Item berührst" macht ja noch Sinn, da man in gruseligen Geisterhäusern wirklich besser aufpasst, was man anfassen sollte und es dann und wann durchaus auch nötig ist, die Hand (sinnigerweise durch das Loslassen von A) rasch wieder zurückzuziehen – leider wird gerade der erste Moment, wo diese Maßnahme nötig wird, durch eine störende Tutorial-Einblendung seines Grusels beraubt).
Warum Mio aber dermaßen durch die Geisterstadt schleichen muss und man sie selbst beim permanenten Drücken des Run-Buttons Z höflich bitten will, ein bis zwei Gänge höher zu schalten, bleibt unverständlich. Den (Geister-)Vogel schießt dagegen folgender, äußerst seltsamer Einfall zur Steuerung ab: Ein Spiel wie dieses wäre perfekt für ein Schema der Marke "Heldin mit Stick bewegen und mit der Wiimote pointen, um Taschenlampe (diese tragt ihr außerhalb von Kampfsituationen) oder Kamera auszurichten", aber den Entwicklern saß wohl der eine oder andere (Geister-)Schalk im Nacken...
Besessener Controller?
Mio bewegt ihr zwar mittels Stick und lässt sie so nach vorne oder nach hinten gehen und sich mit links und rechts in eben jene Richtungen drehen, wobei bei gedrücktem C auch Sidesteps möglich sind (bin mir dennoch nicht sicher, ob eine ganz normale "Drücke in eine Richtung, um in selbige zu gehen"-Steuerung nicht passender gewesen wäre). Die Steuerung der Camera Obscura fällt dagegen sehr, nun ja, obskur aus: Wer die Wii-FB nach oben oder unten neigt, tut auch das gleiche mit der Kamera – das ist ja sinnvoll (wenn auch etwas träge). Schwenkt man die Wiimote jedoch nach links oder rechts, tut sich gar nichts – vielmehr müsste sie in jene Richtungen gedreht werden, um den Fotoapparat (und damit auch das Sichtfeld in den First Person-Situationen) nach links oder rechts zu schwenken!
Da dies völlig unintuitiv erscheint, ist es glücklicherweise auch möglich, für die Links- und Rechtsbewegungen der Kamera den Analogstick zu verwenden, was anfangs auch irgendwie "falsch" erscheint: Klar, man gewöhnt sich daran, aber stellt sich dennoch unvermeidlich die Frage, warum um Himmels Willen die Camera Obscura mit Motion Control nach oben und unten bewegt werden kann, für einen vernünftigen seitlichen Schwenk aber der Stick notwendig ist.
Wesentlich weniger nervig, aber ebenfalls seltsam ist die 180-Grad-Drehung, welche mittels Wiimote- oder Nunchuk-Schüttler ausgelöst wird – das riecht stark nach zwangsweise eingebrachter Bewegungssteuerung. Warum nicht etwa mittels Steuerkreuz?
Absurd wird dieser Mechanismus im neben dem Hauptspiel separat anwählbaren (und ganz nett gemachtem, aber nicht unbedingt langwierig motivierenden) "Geisterhaus"-Modus, wo "auf Schienen" in der Ego-Perspektive einfache Missionen (Wie "Suche Puppen" oder "Fotografiere einen bestimmten Geist") erfüllt werden müssen und dabei mehr oder weniger heftige Wiimote- und Nunchuk-Bewegungen als Furcht des Spielers interpretiert werden...und ja, der Schüttel-Turn ist hier auch noch drin, in manchen Levels sogar notwendig, und wird gerne mal nicht als Kommando für die Drehung, sondern einfach als übermäßig starker "Schauer" erkannt, welcher (für die Bewertung der Mission) massig Rang-Punkte kostet: Das hätte wirklich nicht sein müssen!
Multiplayer-Features sind übrigens in beiden Modi nur rudimentär vorhanden: Im Hauptspiel kann lediglich der Kamera-Angriff des ersten Spielers verstärkt werden, wenn der unterstützende Zocker im Moment des Schnappschusses auf Knopf A seiner Wii-FB drückt, im Geisterhaus-Modus wiederum kann letzterer ersterem nur, wenig produktiv, einfache "Streiche" spielen, um ihn aus dem Konzept zu bringen (z.B. einen Geist auftauchen lassen). Von einem "echten" Mehrspielerspiel zu sprechen wäre hier also deutlich übertrieben, weshalb es in der Infobox auch nicht als ein solches bezeichnet wird.
Sicher nicht von allen guten Geistern verlassen!
Aber genug gemeckert: Man ist dennoch willens, dem Spiel seine (teils wirklich unverständliche) Fehler zu verzeihen, da Story, Szenario und Atmosphäre wirklich gelungen sind: Der Grafik merkt man seine PS2-Herkunft zwar an, durchaus sehenswert und stilvoll ist sie dennoch, die englische Sprachausgabe ist gelungen und die Musik bildet eine schaurig-schöne, manchmal herrlich dissonante Geräuschkulisse. Apropos Geräusche: Das "Geisterradio", welches durch den Wiimote-Lautsprecher verrauschte Nachrichten von anderen Seelen wiedergibt, ist ebenfalls eine richtig spaßige Idee!
Außerdem motiviert die Story durchaus, herauszubekommen, welches schreckliche Geheimnis sich hinter dem "verschwundenen Dorf" verbirgt – zahlreiche Notizen früherer unglücklicher Besucher des Ortes lassen sich schon nach und nach erahnen, was hier vor sich geht. Auch ist positiv anzumerken, dass die Protagonistinnen Mio und Mayu weder als stereotypische Scream-Queens noch als "Bikini Zombie Slayers" inszeniert werden, sondern von Beginn an sympathisch und angenehm normal wirken.
Auf jeden Fall macht es eine Menge Spaß, die alten, knarzigen Gebäude des Dorfes zu erkunden und die düstere, spannende Atmosphäre zu genießen – Project Zero 2 entfaltet ein eigenes Flair, das bei mir Assoziationen an ein ernsteres Luigi´s Mansion, Fragile Dreams, Eternal Darkness oder Steve Jacksons RPG-Buchklassiger Das Höllenhaus aufkommen ließ. Wer sich im heißen Sommer ein wenig kalten Schauer auf den Rücken jagen will, kann gerne einen Blick auf Mios und Mayus Expedition ins Dorf der Verdammten riskieren!
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Vielen Dank an die Firma Nintendo für die Bereitstellung des Testmusters.
Letzte Aktualisierung: 15.Juli.2012 - 12:27 Uhr