Gran Turismo 7 - The Real Driving Simulator (Playstation 5)

Gran Turismo 7 - The Real Driving Simulator (Playstation 5)

Ein Franchise auf seinem Zenit

Mit Gran Turismo 7 feiert der König der Fahrsimulationsspiele nicht nur sein Debüt auf der gefeierten wie raren Playstation 5, sondern auch sein 25. Franchise-Jubiläum. Nach dem letzten Nebeneintrag Gran Turismo Sport aus dem Jahre 2017 soll nun 2022 mit einem frischen Hauptteil das Motorenensemble frischer und realistischer klingen denn je. Ob das Sonys neuestem Exklusivtitel gelungen ist, erfahrt ihr in dieser Offtopic-Review der Playstation 5 Version. Wenn etwas über Jahre hinweg entwickelt wird, dann sind mit der Zeit Konzepte erprobt und bis zur Perfektion getrieben. So dürft ihr euch auch 2022 über ein Gran Turismo Spiel freuen, das zurecht den Beinamen „The Real Driving Simulator“ verdient, könnte die Simulationserfahrung doch kaum ganzheitlicher sein. Dass wir ein perfektes Rennsimulationserlebnis als solches empfinden, erfordert jedoch das reibungslose Zusammenspiel von mehr Faktoren als einer einwandfrei-realistischen Fahrphysik.

Das Spielkonzept von GT7

Nach einem Einspieler, der die historische Geschichte des Automobils und seiner Vergangenheit im Rennsport glorifiziert, werdet ihr ins Spielgeschehen geworfen. Ihr findet euch in einem Hub-Bereich wieder, der einem Freizeitpark am Meer ähnelt. Statt auf Fahrgeschäfte schaut ihr in der Vogelperspektive auf ein Stadion, auf Autohäuser, Aussichtstürme, einen Hafen und andere Gebäude, mit denen ihr im Verlaufe der Story mehr interagieren könnt. Ihr werdet durch Avatare ins Spiel eingeführt, die euch Prinzipien erklären und wortwörtlich jeden Schritt durch die Story führen. Optisch erinnert das an Pop-ups einer Kundenservice-Hotline, bei der euch ein freundliches Gesicht aus einem runden Icon heraus anlächelt. Nachdem euch nähergebracht wurde, dass es in Gran Turismo 7 darum geht, Rennen zu Fahren und Aufgaben zu bewältigen, damit euer Fuhrpark wächst, werdet ihr auch schon ins erste Rennen geworfen. Schnell geht es in die ersten Wettkämpfe, bei denen ihr euch durch einen Podestplatz einen neuen fahrbaren Untersatz verdienen könnt. Nach dem ersten Erfolg werdet ihr ins Café geleitet. Hier ist der Dreh- und Angelpunkt der Story. Ihr werdet von hier sukzessive durch den Hub geführt und müsst euch durch Wettbewerbe in Amerika, Europa und Asien neue Wagen verdienen, sodass jeweils ein Dreier-Set vollständig ist. Ist das geschafft, werden weitere Rennen und Meisterschaften freigeschaltet, sodass sich dieser Mechanismus ewig weiterspinnt.

Mit der Zeit habt ihr so eine beachtliche Auswahl an Wettbewerben zur Verfügung, müsst aber auch in anderen Bereichen euer können Beweisen. Einer davon ist das erwerben von Lizenzen. In Gran Turismo 7 könnt ihr von der Nationalen Lizenz bis zur Superlizenz von Rennwagen alles erwerben. Insgesamt gibt es 5 Lizenzkategorien mit jeweils 10 Herausforderungen. Hier sind alle Fähigkeiten des Simulationssports von den Basics bis zu Profi-Manövern zu erlernen, während euch Zeitlimits gesetzt sind. Ihr müsst mindestens den Bronze-Pokal erreichen, damit die nächste der zehn Stufen pro Lizenzkategorie freigeschaltet wird. Schafft ihr eine vollständige Kategorie abzuschließen, werdet ihr mit einem weiteren Auto belohnt. Erreicht ihr sogar überall Gold, was eine wirklich knackige Herausforderung darstellt, da zwischen der teils schon schwierig zu erreichenden Bronze-Zeit und der Goldzeit nur 1,5 Sekunden liegen können, gibt es eine schicke Karre oben drauf. Ihr werdet also den effektiven Einsatz von Gas und Bremse lernen, den Umgang mit scharfen Haarnadelkurven, das Verhalten von Fahrzeugen auf nassen oder unbefestigt-sandigen Strecken. Wollt ihr weiter Fortschritte machen, so ist es unerlässlich Credits zu verdienen. Das Credit-System ist die virtuelle Währung in GT7. Für jedes erfolgreich abgeschlossene Rennen oder die später folgenden Missionen, z.B. Zeit- oder Driftrennen, erhaltet ihr für die Plätze 1-3 drei- bis zwölftausend Credits. Fahrt ihr fehlerfrei, bekommt ihr nochmal einen 50% Bonus. Dieses System müsst ihr auch zur Gänze ausreizen, da das Sammeln von Credits ohnehin in einem gewissen Grinding endet, wenn ihr das ein oder andere Schmankerl eurer Sammlung hinzufügen wollt.

Werft ihr einen Blick in eure Garage, könnt ihr euch die Autos, die ihr bereits besitzt, in aller Ausführlichkeit ansehen. Die Handbücher des jeweiligen Fahrzeugs mit all ihren technischen Parametern wurden quasi hübsch digitalisiert. Natürlich wäre ein Gran Turismo kein Gran Turismo, wenn ihr nicht einiges ändern könntet. So lassen sich Fahrzeuge tunen. Egal ob eine bessere Karosserie, ein stärkeres Bremssystem oder die passenden Reifen für ein aufreibendes Rennen, ihr könnt alles erwerben. Wählt ihr ein gutes Setup, steigen die Leistungspunkte (LP) eures Fahrzeuges, was wiederum ein Indikator für die Qualität und Geschwindigkeit des Autos im Renneinsatz ist.

Schöne Autos müssen aber auch gepflegt und bestaunt werden. Also gibt es den Scrapes Modus, in dem ihr euch an hunderten Kulissen für das passende Setup des perfekten Fotos bedienen könnt. Hier fragt man sich zwar, ob die Automobil-Ästheten von Polyphony Digital ihren eigenen Fotomodus mit all den Optionen, Filtern, Blendeneinstellungen etc. ein wenig auf die Spitze getrieben haben, ein nettes Beiwerk ist es aber allemal.

Spielgefühl und Balance

Gran Turismo 7 schafft es, für Simulationseinsteiger als auch -veteranen gleichermaßen ein ansprechendes Paket zu liefern. Wer seinen Spaß haben möchte, hat in den Lizenzen schon genug mit Bronze-Pokalen zu tun, wem es nicht herausfordernd genug sein kann, geht auf Gold und widmet sich schnell dem „Sport-Modus“, der eSports-Komponente in GT7. Ihr werdet in regelmäßigen Rennen nach euren Fähigkeiten und Ergebnissen in Klassen sortiert, sodass euch möglichst ebenbürtige Gegner zugelost werden. Ihr könnt euch aber auch bis in den Olymp von GT7 hochfahren und so für eine andere Form des Prestiges kämpfen, als die z.T. unspektakulären Wettkampfrennen in den Rundkursen Amerikas zu bieten haben. Daneben gibt es noch den klassischen Multiplayer-Modus, der sowohl lokal im Split-Screen als auch online wunderbar funktioniert.

Dass nicht jeder Fortschritt im Spiel den richtigen Ton bei der Balance trifft, mussten wir in unserem Test feststellen, als es um die Komplettierung von drei Mustang-Klassikern ging. Uns wurde hierfür ein Mustang mit vergleichsweise niedrigen LP bereitgestellt, in den Rennen stellte sich aber schnell heraus, dass die KI mit deutlich schnelleren Wagen unterwegs war. Erst nach einem gehörigen Credits-Invest im Tuning-Bereich und etlichen Neustarts der Rennen konnten wir uns auf einen dritten Platz vorarbeiten, den es zum Erhalt eines besseren Mustangs erforderte. Bis dahin konnten wir mehrfach die vielfältigen Hilfestellungen wie die Fahrhilfe, Ideallinie, Bremsassistent, Anti-Blockiersystem u.a. einsetzen und fuhren trotzdem nur auf Platz 5 – eine frustrierende Erfahrung, die auch dadurch zustande kommt, dass wir in egal welchem Rennen vom letzten Platz starten. Das ist selbst bei Meisterschaftsrennen der Fall, die aus zwei Rennen bestehen. Wer nun davon ausgehen würde, es könnte wie bei manchen Motorsportarten wie der Formel 2 so sein, dass die Platzierung des ersten Rennens Auswirkung für die des zweitens hat, irrt sich gewaltig. Ihr müsst stets das Feld von hinten aufräumen. Als wir im vorgenannten Beispiel endlich die benötigte Platzierung erreichten, wurde uns ein vergleichsweise übermächtiger Mustang GT mit knapp 100 LP mehr in die Garage geschoben. Damit waren die übrigen Rennen ein Kinderspiel, das sich jeweils mit einigen Sekunden Vorsprung beenden ließ.

Was die Balance angeht, ist auch in der letzten Lizenzkategorie, der „Superlizenz“ für Rennwagen ein ordentlicher Sprung zu bemerken. Wo ihr zuvor 15-30 Sekunden Sequenzen fehlerfrei, also ohne Mauerkollision oder Verlassen der Fahrbahn, absolvieren musstet, werden euch schnell ganze Runden abverlangt. Diese sind aber mit einem Gefährt, dass schnell mal 350 km/h zusammenbekommt, deutlich schwieriger, besonders bei etlichen scharfen Kurven.

Wollt ihr euch später die schönen Wagen beschaffen, zum Beispiel einen Tesla, ein Formel 1 Auto oder exotischere Modelle wie einen Pagani Zonda, müsst ihr tief in die Credit-Tasche greifen. 400.000 Credits oder sogar mehrere Millionen sind keine Seltenheit. Geht also aufs Gas, wo ihr könnt. Dass das Spiel einmal täglich bzw. unregelmäßig nach dem Erreichen von Story-Meilensteinen ein Bonus-Los spendiert, durch welches ihr zufällig einen Credit-Betrag, Tuningteile oder sogar ein neues Auto gewinnen könnt, trägt nur wenig zum Aufbau eures Credit-Polsters bei. Nicht ohne Grund wird auch im Start-Screen prominent die Option zur Mikrotransaktion aufgezeigt. Einen Weg, den vermutlich nicht wenige gehen werden, wenn sie sich zum Ziel setzen, die Liste der über 400 Autos zu komplettieren, ohne sich bis zur Besinnungslosigkeit oder dem Verschleiß der Dualsense-Controllsticks durch die Rennen zu grinden.

Wo wir schon vom Eingabegerät sprechen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Performance des Dualsense Controllers herausragend ist. Das haptische Feedback und die Sensibilität der Trigger wirken wirklich realitätsnah. Egal ob das Durchdrücken des Gaspedals, die Reaktion der Straße oder Fliehkräfte, ihr merkt es! Auch der Sound lässt sich dosiert durch den Controller leiten. Wer also ein ganzheitliches Spielgefühl schätzt, der kommt hier auf seine Kosten.

Grafik-Kraftpaket & Sound-Kulisse

GT7 macht keinen Hehl daraus, den Anspruch des Branchen-Primus zu verteidigen. Schon vor Spielstart werdet ihr deshalb in einem umfangreichen Menü darum gebeten, eure Präferenzen zu konkretisieren. Angefangen bei einem Grafik- und Performance-Modus, der wahlweise auf 4K und Ray-Tracing oder flüssige 60Fps setzt, entscheidet ihr, wie viel ihr für euch rausholen wollt. Natürlich ist der Thrustmaster-Lenkrad-Support auch prominent eingebunden.

Wir haben uns für beide Modi entschieden, haben lange Zeit aber auch im Grafik-Modus verweilt. Bis auf wenige, minimale Ruckler konnten wir hier bei der Performance keine Einbußen feststellen, genauso wenig erwähnenswerte Ladezeiten. Stattdessen wurden wir mit wunderschön-detaillierten Auto-Modellen belohnt, fantastischen Hintergrund-Kulissen, etwa eine amerikanische Wüste bei Sonnenuntergang und fliegenden Heißluftballons, während die Lichtreflektion unseren Kofferraum anzusenken drohte. In den vielen Modi, also auch dem Fotomodus, besonders der Garage und im Tuning-Shop wird auf die bemerkenswerte Ästhetik des Spiels gesetzt. Wenig überraschend wandelt sich diese Ambition zurecht in Staunen, denn GT7 ist einfach nur schön.

Beim Sound müssen wir uns der Lobeshymne für die Optik anschließen, denn auch das Sounddesign bei den diversen Fahrzeugen ist in einer eigenen Liga angekommen. Die Modulation von Motorengeräuschen, das Straßen-Feedback, die Kollisionserfahrungen und vor allem das Beschleunigen machen riesigen Spaß. Was Polyphony Digital leider total verschlafen hat ist, dass 2022 zu einem herausragenden Simulationsspiel, und keinen geringeren Anspruch verfolgt das Studio zum 25. Jubiläum, mehr gehört, als nur Motorengejaule. Leider ist keinerlei verbale Vertonung enthalten. Alle Avatare, die euch zwar gezielt und effektiv durch sämtliche Rennen, Story-Abschnitte und Hub-Bereiche führen, haben keine Stimme. Jedes einzelne Rennen ist bis auf die Fahrzeug- und Umgebungsgeräusche still. Es gibt keine Renn-Kommentatoren, es gibt keine Siegerehrung mit Beiwort, es gibt keine Euphorie, wenn ihr euch in einer waghalsigen Aufholjagd aufs Podium gekämpft habt oder einen Aufschrei, wenn ihr zu viel gewollt habt und euch plötzlich 8 mal im Kreis dreht, ehe ihr im Kiesbett endet. All das ist wirklich schade und hätte mit ein bisschen mehr Aufwand wirklich nahtlos ins Spielerlebnis integriert werden können.

Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass GT7 mit einer Musikbegleitung daherkommt. Ihr werdet also diverse Musiktracks unterschiedlicher Bekanntheit beim Pesen über die Pisten der Länder erleben. Das gibt zumindest ein bisschen was von der Stimmung, die wir vorher angekreidet haben.

FAZIT

Gran Turismo 7 ist ein wahres Fest für Freunde von Rennsimulationsspielen und ein würdiger Versuch für all jene, die jahrelang glaubten, die Need-for-Speed-Gummiband-KI sei das einzig Wahre. Eine grandiose und wohl-selektierte Autosammlung von über 400 Fahrzeugen und unterschiedlich fordernde Renntypen und Spielmodi sorgen für ein ganzheitliches Simulationserlebnis, das kaum Wünsche offen lässt. GT7 ist ein ästhetisch und spielerisch extrem befriedigendes Erlebnis, das lediglich bei der fehlenden Synchronisation und der Tendenz zum Credits-Grinding nicht alle PS auf die Strecke bringt, die die hauseigene Tuning-Werkstatt Sonys garantiert vorrätig gehabt hätte.


Grafik 10
Technik 9.5
Sound 8
Multiplayer 9
Umfang 9
Spielgefühl
Balance 8.5

GESAMT: 9

PRO
beeindruckender Fuhrpark von über 440
Große Variation in Strecken und Fahrvermögen
Riesige Vielfalt in Customizing
hervorragendes Spielgefühl dank Dualsense Features
große Benutzerfreundlichkeit (Schwierigkeit uvm.)

CON
Tendenz zum Credits-Grinding
fehlende Synchronisation
minimale Balance-Schwächen

Danke an Sony Playstation für die Bereitstellung des Testmusters.

verfasst von „ Maik“

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Letzte Aktualisierung: 10.03.2022, 10:42 Uhr