E3 2012 – Gamepads, Goldmünzen und Geheimniskrämerei

E3 2012 – Gamepads, Goldmünzen und Geheimniskrämerei

Nach dem überraschend eingeschobenen Nintendo Direct-Stream in der Nacht von Sonntag auf Montag, der eigentlichen Pressekonferenz und dem 3DS Showcase von heute in aller Frühe haben sich im Kopf einige Eindrücke angesammelt – welche wohl am besten folgendermaßen beschrieben werden können: Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr euch einen Film anseht und mitten drin den Eindruck bekommt, als würde die zweite Hälfte von einem komplett anderen Regisseur stammen? Genau dieses hatte ich nach der dienstäglichen PK.

Divide and conquer?

Aber alles schön der Reihe nach: Durch das Betrachten des Nintendo Direct-Streams wurde meine Vorfreude weiter geschürt – klickbare Analogsticks statt einfachen Circle Pads (welche sicher auch nicht schlecht in der Hand lägen, aber eher für Handhelds angemessen sind – hier sind Iwata und ich einer Meinung), wodurch einer eventuellen Problematik des Knöpfemangels bei Multiplattform-Entwicklungen gleich aus dem Weg gegangen wird.

Der Pro Controller als kabelloses "Normalo"-Gamepad – nicht sonderlich originell, da stark ans 360er-Pad erinnernd, aber macht einen ergonomischen Eindruck und stellt auch gleich klar, dass in Mehrspielerpartien kein Wiimote-Zwang herrschen wird (nun wirkt es eher so, als wäre die Wii-FB nun eher eine Alternative wie der Move-Controller auf der PS3).

Außerdem ein Online-Konzept, welches zumindest im Vergleich zu bisherigen Nintendo-Konsolen nach einem großen Schritt vorwärts aussieht, vorgestellt mittels einem irgendwo zwischen Trash und Kult angesiedeltem, skurrilen Video, welches sicherlich Geschmackssache sein mag, aber um Längen origineller und sympathischer als die x-te stets grinsende, klischeehafte amerikanische Familie, welche in den letzten Jahren im Videospiel-Trailer-Bereich geradezu inflationär oft auftritt. Weiterer Pluspunkt: Die "non-specific action figure", höhö.

Da erfreuliche, aber eher unspektakuläre Infos so nun von der eigentlichen PK ausgelagert wurden, könnte auf selbiger gleich voll losgelegt werden – oder?

Starker Beginn

Anfangs schien es durchaus so, als würde sich jene These bestätigen – Miyamotos "Vorfilm" mit den animierten Pikmin (welcher mich konzeptuell mit der "Die Show fängt gleich an!"-Komponente ein wenig an die Intros von älteren Otto Waalkes-Bühnenshows erinnerte) war sympathisch und charmant, wie auch die Präsentation von Pikmin 3: Mr.Mario spielte selbstiroisch mit seinen nicht allzu weitreichenden Englischkenntnissen und rief bald mit Captain Olimars Trillerpfeife einen Übersetzer zu Hilfe.

Doch ob nun simultanübersetzt oder nicht – Miyamotos Auftritt gefiel, war interessant und es war allseits ersichtlich, dass er selbst eine Menge Spaß an der Sache hatte. Und statt langer Ausführungen zu "Casual"-Games (kann den Begriff nach wie vor nicht leiden, aber so richtig umgehen kann man ihn halt leider auch nicht) wie einige Jahre zuvor Wii Music oder Nintendogs ging es hier auch klar um ein "richtiges" Spiel.

Klar, im Vergleich mit einem Zelda oder Mario handelt es sich bei den Vertretern der Pikmin-Serie wohl eher um Nischenspiele – auch Teil 3 wird sicherlich toll, aber vermutlich keinen großartigen Hype auslösen und zu einem wahren System-Seller werden, wie es andere Kaliber wie die genannten würden. Aber da die Konferenz ja gerade erst begonnen hat – und auch noch von Shigeru Miyamoto eingeleitet wurde – kann es ja nur bedeuteten, dass dies bei weitem noch nicht der Höhepunkt war, oder?

Solider Mittelteil

Leider doch, mehr oder weniger. Natürlich soll das nicht heißen, dass danach nur noch Uninteressantes präsentiert wurde – allerdings nach Reggies Ankündigung, es könnten zwei Tablet-Controller an einer Konsle verwendet werden, so gut wie nur allseits Bekanntes: Dass ein Mario-Spiel auf der E3 präsentiert wurde, war bereits offiziell – ebenso aber, dass es auf der Mario-Demo der letztjährigen Messe, "New Super Mario Bros. Mii", basieren würde. Somit war schon einmal klar, dass Hoffnungen an ein neues 3D-Mario zum Launch vergebens wären.

"New Super Mario Bros. U", so also der endgültige Titel – und sicherlich ein spaßiger: Glücklicherweise sieht es nun danach aus, als hätten sich die Entwickler von dem (für Puristen äußerst fragwürdigen) Konzept von Miis als spielbaren Figuren verabschiedet und die eine oder andere im Trailer gezeigte Umgebung erinnerte mich (wenn auch nur entfernt) angenehm an den Yoshi´s Island-Look.

Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Grafik immer noch sehr stark an die bereits erschienenen Teile der New Super Mario Bros.-Reihe erinnert und nicht gerade mit Innovativität oder Eigenständigkeit glänzt – Faktoren, die u.a. die besondern genialen Auftritte des Klempners wie Super Mario Bros. 3, Super Mario World, besagtes Yoshi´s Island oder Super Mario 64 auszeichneten, welche alle mit einem eigenständigen Look glänzten.

Und es ist wohl zu vermuten, dass der Titel wie der direkte Vorgänger im Multiplayer wieder ein Riesenspaß machen wird, für Solisten aber wohl nicht an andere 2D-Marios herankommen wird, sprich, wieder ein "Four Swords des Mario-Universum" werden wird: Gäbe es zum Wii U-Release einen richtig großen Nintendo-Solospieler-Titel und parallel dazu NSMBU als hervorragendes Mehrspielerspiel, wäre ich wunschlos glücklich – doch leider fehlt ersterer noch klar (auch wenn man Pikmin 3 als einen solchen ansehen würde, wäre es mit "Launch Window" als Erscheinungstermin noch nicht einmal für den tatsächlichen Launch bestätigt). Ein Superhit vom Schlage eines Super Mario 64, welcher grafische Leistungsfähigkeit und Steuerungsmöglichkeiten der neuen Konsole eindrucksvoll demonstriert, wird noch schmerzlich vermisst.

Es folgten überwiegend Präsentationen von Dritthersteller-Titeln (welche zumeist auf Mitbewerber-Konsolen schon erschienen sind oder im Herbst erscheinen werden) wie Assassin´s Creed 3 oder erweiterte Versionen von Ninja Gaiden 3 oder Batman: Arkham City – sicherlich viele guten Titel dabei, aber eben keine Überraschungen (abgesehen davon, dass in der Nintendo-Version von Tekken Tag Tournament 2 offenbar der Superpilz einen Auftritt haben wird) und ebenso keine Gründe für PS3- oder 360-Spieler, sich eine Wii U anzuschaffen. Traveller´s Tales´ neues LEGO-Open World-Spiel wurde nach der letztjährigen Ankündigung erstmals "richtig" gezeigt und machte keinen üblen Eindruck (Kennt noch jemand "Die LEGO-Insel" für PC? Hat mich irgendwie entfernt daran erinnert.), aber eben auch unbedingt nicht den eines System-Sellers.

Schwacher Schluss

Was im Verlauf der Pressekonferenz unschön auffiel: Auf wenig innovative Casual-Games wie Sing, Just Dance 4 oder Wii Fit U (wobei ich bei letzteren die mittels Balance Board und dem Tablet-Bildschirm erzeugte Illusion, auf einer sich bewegenden Plattform zu stehen, allerdings ziemlich interessant fand) wurde deutlich zu viel Aufmerksamkeit in puncto Screentime gelegt und selbige wurden, in jeder Hinsicht konträr zum verrückten Nerd und seiner Actionfigur aus dem Nintendo Direct-Stream, mittels dermaßen klischeehaften Trailern vorgestellt, sodass man jeden Augenblick vermuten musste, Jeanette Biedermann käme gleich ins Bild und würde uns wie anno 2007 zurufen, "die Ära der Ballerspiele" sei "abgelaufen" (und hier sind wir wieder bei der "unterschiedliche Regisseure"-Metapher von anfangs).

Als Reggie am Ende von "Nintendo Land" zu sprechen begann, flammte dann schon die Hoffnung auf, man habe sich die Trailer für die richtig großen kommenden Inhouse-Projekte für den Schluss aufgehoben – aber auch hier "leider nein": Dies war der Titel eines Spiels, welches im Wesentlichen aus einer Demo-Sammlung besteht, welche Wii U-Käufer an verschiedene Steuerungs- und Spielmöglichkeiten heranführen und andererseits wohl auch Neulinge durch ihr Setting an verschiedene Nintendo-Serien heranführen soll.

Gibt wenig dazu einzuwenden – Nintendo Land übernimmt somit eine ähnliche Rolle wie Wii Sports oder Wii Play und es wird auch erwogen, den Titel der Konsole konstenlos beizulegen. Ein leicht bitterer Nachgeschmack bleibt aber dabei dennoch insofern, als dass hier gewaltsam Miis in die Hauptrolle gezwängt wurden, welche sich als Besucher des namensgebenden Vergnügungsparks lediglich als Nintendo-Helden verkleiden – ähnlich unverständlich wie letztes Jahr Disney Universe, wo kleine Goblin-artikge Männchen in Nemo- oder Simba-Verkleidungen gesteckt wurden. Warum nicht gleich ein "echtes" Minispiel-Crossover mit Mario, Link und Donkey Kong? Wäre doch toll gewesen!

Dennoch eine nette Idee – welcher aber ebenfalls eher zuviel Zeit gewidmet wurde; und als Reggies finales "before you leave..." noch für einen Sekundenbruchteil die Hoffnung einer Überraschung zum Schluss á la Twilight Princess hoffen ließ, aber danach lediglich kurz eine kurze, aus Nintendo Land stammende Feuerwerks-Szene abgespielt wurde, fühlt man sich doch ein wenig "getrollt".

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz

Und so wurde die PK beschlossen – das konnte doch nicht alles gewesen sein, oder? Was machen die unzähligen Nintendo-internen Teams? Was macht Retro Studios, die schon längst etwas Vorzeigbares haben sollten? Zumindest ein neues Wario Ware mit dem kruden Arbeitstitel Game&Wario wurde direkt nach der Pressekonferenz noch angekündigt (warum auch immer nicht bereits zuvor) und es sollte noch eine separate 3DS-Konferenz am heutigen Donnerstag folgen – vielleicht würde diese ja noch die eine oder andere Überraschung bringen?

Kurz und gut: Leider nein. Alle gezeigten Titel wurden bereits im Vorfeld der E3 (oder gar schon auf der letztjährigen Messe) angekündigt. Aber man muss auch definitiv fairerweise sagen, dass ausschließlich interessante und potentiell (sehr) gute Spiele gezeigt wurden und die Präsentation (trotz vergleichsweise vieler Versprecher seitens der Moderatoren) gelungen und (samt einer einem Gastauftritt der "non-specific action figure") unterhaltsam war: Bei Paper Mario vermisse ich noch schmerzlich weitere Partymitglieder (und hoffe sehr, dass diese nicht durch die Möglichkeit, gegen Bezahlung von Münzen mehrmals pro Runde angreifen zu können, ersetzt werden), aber ansonsten machte das RPG einen hervorragenden Eindruck und Luigi´s Mansion mit dem überraschend "düsteren" Untertitel Dark Moon sieht immer besser aus (mein Favorit war die Szene im abstürzenden Aufzug).

Hochinteressant auch Castlevania: Mirror of Fate, welches grafisch und atmosphärisch gleichermaßen glänzen konnte; ähnlich wie (aber auf eine ganz andere Art und Weise als) Epic Mickey: Power of Illusion. Bei New Super Mario Bros. 2 verwundert die extreme Verfügbarkeit von Münzen ein wenig (wenn man so jetzt ständig geradezu Tausende Extraleben erhält, dann bitte auch den Schwierigkeitsgrad beträchtlich erhöhen, Nintendo!) und auch hier ist der Grafikstil alles andere als innovativ, aber wie der DS-Vorgänger wird sicherlich auch diese Episode ein Hit und die Integration des "echten", flugfähigen Waschbär-Mario könnte durchaus ein Highlight werden. Und der "Dream Drop Distance" betitelte x-te Kingdom Hearts-Ableger dürfte den 3DS sicher mit einem spielenswerten Action-RPG bereichern.

Aber auch hier galt die Abwesenheit von Überraschungen – buchstäblich alle Titel waren bereits bekannt und auch die Releasedaten, welche meist einfach nur "Holiday 2012" lauteten (gerade für die schon ewig angekündigten Paper Mario- und Luigi-Episoden), sorgen für eine berechtigte Sorge bezüglich eines beträchtlichen Sommerlochs...zumindest etwas Definitives zum in Japan bereits erhältlichen, neuem Fire Emblem (welches in der PK noch nicht einmal erwähnt wurde) wäre schön gewesen. Zumindest darf man sich in Juli und August auf Kingdom Hearts und Mario Bros. freuen.

Conclusio

Kurz und gut: Es wäre auf der E3 wesentlich mehr möglich gewesen und im Vergleich zu früheren Electronic Entertainment Expos, auf welchen neue Nintendo-Konsolen vorgestellt wurden, war sie sehr unspektakulär. Aufkommenden Anschuldigungen, die Firma würde nun entgegen ihrer Ankündigungen die "Core"-Spieler außen vor lassen und vermehrt auf die "Casuals" abzielen, sind aber meines Erachtens nach nicht gerechtfertigt: Nintendo zeigte vier Spiele – eines davon (Wii Fit U) gehört klar zu letzterer Schiene, ein weiteres (Nintendo Land) könnte auch in diese Ecke gedrängt werden, ist aber nichts Anderes als eine nette kleine Minispielsammlung zum Einstieg in die Konsole und will auch gar nicht mehr als das sein (dafür wurde der Titel nur, wie gesagt, etwas arg lange präsentiert).

Pikmin 3 und New Super Mario Bros. U dagegen sind ganz sicher keine primär auf Nicht- und Wenigspieler ausgerichtete Titel und wenn die Dritthersteller z.B. einerseits ein (in diesem Fall exklusives) Rayman und Assassins Creed, aber eben auch ein Just Dance und dergleichen bringen, ist das bitteschön auch nicht "schlimmer" als auf anderen Konsolen. Ja, wie schon erwähnt sind viele jener Titel bereits für andere Konsolen erhältlich oder werden das zumindest noch vor dem Wii U-Launch sein, aber mal ehrlich, das war bei den Releases früherer Konsolen selten anders – wenn ich etwa an Cube und Xbox denke, war hier jeweils ein großer Teil des Launch-Ups schon lange zuvor für PS2 erhältlich. Was aber natürlich stimmt: Dass z.B. Ubisoft ihre Neuenthüllung Watch Dogs für Xbox360 und PS3, aber (bislang?) nicht für Wii U angekündigt hat, verwundert.

Das Problem an der diesjährigen E3-Präsentation ist also nicht "Nintendo wird zu casual" – es ist wesentlich simpler: "Nintendo hat zu wenig gezeigt!" Es wird wohl kaum jemand ernsthaft glauben, die zahlreichen Entwicklerstudios der Firma hätten nicht schon ebenso viele Projekte für die neue Konsole in der Mache. Nur: Wenn diese nicht gezeigt werden, halten sich Hype um und Vorfreude auf jene unbekannten Titel naturgemäß in engen Grenzen. Und es bleibt einfach unverständlich, warum nichts von jenen zu sehen war, auch wenn deren Release noch bis nächstes Jahr dauern sollte – man denke an E3-Trailer wie jene von Twilight Princess (2004), Brawl (2006), Other M (2009) oder Kid Icarus (2010): Bis zu den Releases besagter Titel dauerte es jeweils noch ziemlich lange – dennoch waren deren Trailer einfach Messe-Highlights! Einfach nur, weil sie den Zuschauern etwas gaben, worauf sie sich freuen konnten; weil sie ein Gefühl der Marke "Wow, das Spiel wird sicher toll!" auslösten und entscheidend dazu beitrugen, wie man die Pressekonferenz in Erinnerung behielt. Und genau ein solcher Trailer eines bisher unbekannten Wii U-Projekts hätte die vergangene PK sicher deutlich aufgewertet.

Also, auch wenn man von der E3 enttäuscht war und die Geheimniskrämerei nicht nachvollziehen kann: Abwarten, Teetrinken und auf die nächste Nintendo Direct-Präsentation oder das nächste eigenständige Nintendo-Event warten – in den letzten Jahren ist ohnehin der Trend vorherrschend, dass neue Spiele erst wenige Monate vor dem Release angekündigt werden (siehe auch das aktuelle Mario Tennis Open, was wir erst im Februar kennenlernten und nun bereits seit einer Weile spielen können). Dann wird hoffentlich endlich ein ausführliches Diorama auf die kommenden Nintendo-Hits für Wii U – welche es unzweifelhaft geben wird – präsentiert und wir werden wissen, worauf wir uns freuen können. Es ist nur sehr ratsam, dass dergleichen noch vor dem Launch stattfindet (etwa im Herbst wie einst die Space World) – schließlich wird wohl kaum ein Aspekt so viele Kaufentscheidungen für eine neue Konsole beeinflussen wie die Software-Aussichten derselben.

verfasst von „Lukas“

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Letzte Aktualisierung: 08.06.2012, 18:13 Uhr