Für kleines Geld bekommt man hier einen Platformer geliefert, der seines gleichen sucht. Auch unter Vollpreisgames. Wunderschöne Pixelgrafik, phänomenale Sounduntermalung und ein großartiger melancholisch lustiger Humor ergeben eine wahre Indieperle, die allerdings einiges an Videospielwissen voraussetzt, wenn man sie in voller Pracht genießen will. Wer es jedoch mag MUSS zugreifen.
Spieletest: Horace NSW
Weitere Infos
Releasedate:21. Oktober 2020




Mögliche Spielmodi: Handheld-,TV-,Tischmodus
Anzahl der Spieler: 1
Leser-Meinungen: Noch keine
Specials: keine
Plus / Minus
- Positiv:
- Wunderschöne Pixelgrafik
- Geniale Musik
- Humor und Anspielungen
- Negativ:
- Grafik muss man mögen
- Nichts für Anti-Nostalgiker
Ein weiterer Indie Pixel-Platformer betritt die Bühne der Nintendo Switch und muss sich gegen eine große Konkurrenz durchsetzen. Mit einer melancholisch-humoristischen Grundstimmung und einem wahren Easter-Egg- und Referenzenfeuerwerk, möchte das Spiel vor allem Spieler in den Dreißigern ansprechen. Spieler, die sich noch an ihre ersten Disketten-Adventures und die ersten Gehversuche mit einem blau-roten Klempner in 8Bit erinnern. Ob Horace ein weiterer Roboterheld der Popkultur wird oder einfach nur ein paar Schaltkreise locker hat, erfahrt ihr im folgenden Test.
Süße Pixel
Das Spiel beginnt mit der Lieferung des Roboters Horace. Seine Roboterstimme erzählt uns seinen Werdegang und begleitet uns das ganze Spiel über. Er erzählt von dem alten Herren, der ihn alles lehrt, beziehungsweise ihm alles einprogrammiert, was man so als Roboter braucht. Und so mischt sich das anfängliche Storytelling mit einem griffigen Tutorial. Es ist eine ganz perfekte Mischung, sodass man sich in der Story direkt heimisch fühlt. Der Roboter soll seine neu erworbenen Funktionen ausprobieren und vor mysteriösen Dritten vorführen. Das alles präsentiert sich in einer fantastischen Pixeloptik, die nur auf den ersten Blick veraltet scheint. Diese Präsentation wäre damals gar nicht möglich gewesen. Trotz der Pixel sind die Figuren ohne Weiteres in der Lage diverse Gesichtsausdrücke zu zeigen, die Farben sind satt und differenziert und die Hinter- und Vordergründe verleihen dem Ganzen einen Hauch von Dreidimensionalität – vor allem bei den Zwischensequenzen. Wir schließen den süßen Horace mit seiner lernwilligen, aber dennoch leicht unbeholfenen Art sofort ins Herz. Gerade, wenn man anfängt ihn mit dem depressiven Roboter aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ zu vergleichen, wird genau dieser Autor zitiert und man weiß genau, dass man den ein oder anderen ähnlich gelagerten humoristischen Einspieler erwarten kann. Und tatsächlich wirft uns die Geschichte unseres unfreiwilligen Roboterhelden immer wieder in ein Wechselbad der Gefühle. Seine trockenen Kommentare entlocken einem in regelmäßigen Abständen Schmunzler. Wenn der Nachbar beispielsweise nach dem Konsum von Magic Mushrooms auf seinem Pilztrip vom Dach springen will, fragt sich Horace, warum dieser nach dem Biss in den Pilz nicht auf doppelte Größe gewachsen ist. Völlig Ironiefrei. Nebenbei gesagt, nicht die einzige Mario Anspielung in diesem Game. Doch neben all den Witzen kommt das Spiel immer wieder mit einem emotionalen Punch daher, der einen richtig mitnimmt. Wer nah am Wasser gebaut ist, wird das ein oder andere Tränchen wegdrücken müssen.
Videospiele im Videospiel
Wer Ready Player One geguckt hat und sich über die vielen kleinen Easter Eggs gefreut hat, der wird Horace lieben. Man kommt bei den ganzen Verweisen kaum hinterher und hat das Gefühl beim Blinzeln schon die nächste Referenz zu verpassen. Diese sind aber dermaßen gut ins Spielgeschehen implementiert, dass sie nie zum reinen Selbstzweck verkommen. Horace ist ein riesiger Fan alter Videospiele und Filme und widmet sich auf dem Weg gerne seinen Hobbys. Man spielt mit ihm Pong, Out Run, Space Harrier und Space Invader und gerät so in das ein oder andere Minigame. Wie man Gegenstände aufhebt lernt man auf einem Basketballfeld. Man soll Körbe werfen. Schon wieder also ein Tutorial, das sich so wunderschön ins Spielgeschehen einbettet, dass man sich wie Horace fühlt, der immer wieder etwas Neues lernt und davon ganz begeistert ist. Heutige Spieler werden sich an diesen Mechaniken sicherlich erfreuen, ihre ganze nostalgische Wirkung entfaltet sich aber erst für Spieler der älteren Semester. Dieses Feeling wird von der fantastischen Sounduntermalung unterstützt. Mal in klassischer 8Bit Midi-Manier, mal in melancholischen Klaviersonaten und dann wieder in ausgewogener Mischung. Die Optik, die Nostalgie und die Melancholie mit den sympathischen Figuren erzeugen eine Stimmung, die man beinahe schmecken kann und das obwohl fast alles aus Pixeln besteht.
Ein Roboter lernt fürs Leben
Seit seiner Inbetriebnahme bis zu den letzten Stunden des Spiels lernt Horace (und wir somit auch) immer wieder dazu. Dabei ist seine Aufgabe denkbar einfach. Finde 1.000.000 Müllstücke. Horace lernt sehr bald an Wänden und Decken entlangzulaufen. Hierbei ergeben sich dann völlig neue Möglichkeiten des Weiterkommens. Denn der Bildschirm dreht sich immer mit und plötzlich kann man in Richtungen springen, die vorher physikalisch in weiter Ferne lagen. Man erwischt sich immer wieder (wunderbar) orientierungslos und wäre da nicht die rote Pixelkrawatte des außerordentlich schicken Horace, so vergieße man schnell wo oben und unten ist. So weiß man nie was einen in zehn Minuten erwarten könnte, denn ganz in alter Metroid Manier bringen einen die neuen Fähigkeiten an neue Orte und öffnen neue Türen und Wege. Das alles entwickelt sich sehr organisch und legt nebenbei immer mehr die mysteriöse Story frei. Und obwohl Horace ein sehr lernbereiter Roboter ist, versteht er die Menschen um sich herum nie in Gänze und gerade in dieser emotionalen Naivität liegt seine ganz große Stärke. Einige Passagen des Spiels warten mit einem kniffligen Schwierigkeitsgrad auf, was aber mit sehr fairen Checkpoints und extrem zackigen Restarts aufgelockert wird. Ohnehin sind diese Passagen oft nur schwierig, weil man die dahinterliegende Physik noch nicht ganz verstanden hat. Das Spiel ist derart intelligent programmiert, dass es schwer wird einen ähnlich gelagerten Plattformer zu finden. Und die 6 Jahre Entwicklungszeit merkt man Horace an. Die Spielmechanik ist perfekt ausgreift, nie überfordernd und immer begeisternd kreativ.
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Vielen Dank an die Firma 505Games für die Bereitstellung des Testmusters.
Letzte Aktualisierung: 30.Oktober.2020 - 08:50 Uhr