Lost Records: Bloom & Rage im Test (Playstation 5)

Lost Records: Bloom & Rage im Test (Playstation 5)

Nach Life is Strange: Double Exposure steht der nächste Titel des Entwicklerstudios Dont Nod in den Startlöchern. Mit Lost Records: Bloom & Rage erscheint das zweiteilige 90er-Jahre-Teenager-Drama rund um vier Highschool-Schülerinnen. Wie viel Retro-Charme im Spiel steckt, erfahrt ihr hier in unserem Test.

Die Story

Lost Records wird in zwei Teilen veröffentlicht. Der Release von Tape 1 mit dem Titel „Bloom“ war am 18. Februar 2025, während Tape 2, „Rage“, am 15 April 2025 als kostenloses Update folgt.

Die Handlung führt euch in die fiktive Stadt Velvet Cove in den Jahren 1995 und 2022 – dazu noch später. Es geht um die Highschool-Schülerinnen Swann, Nora, Autumn und Kat – alles gute Freunde, die eine gemeinsame Leidenschaft für Musik und ihre Punk-Band haben. Jedoch ändert sich eines Tages auf einen Schlag alles. 27 Jahre später kehren sie nun in ihre Heimatstadt zurück – auf den Spuren ihrer Vergangenheit.

Die Story wird in zwei Zeitsträngen erzählt – dem Sommer 1995 und dem Jahr 2022. Es geht hier aber nicht um futuristische Zeitsprünge oder Zeitreisen, sondern vielmehr um Rückblicke auf frühere Ereignisse der Freunde. Gelegentlich kehren wir in die Gegenwart zurück, um zu erfahren, welche Auswirkungen die Entscheidungen der Vergangenheit auf das Hier und Jetzt haben.

Im Mittelpunkt der Handlung steht das Mädchen Swann – ein Filmjunkie, der großes Wissen über das Kino besitzt und keine Gelegenheit auslässt, Kurzfilme mit ihrem Camcorder zu drehen. Sie zählt sicherlich nicht zu den beliebtesten Schülerinnen ihres Jahrganges, aber vor allem die Freundschaft mit ihren Bandkolleginnen lässt sie vor Selbstbewusstsein strotzen.

Die Zeitsprünge fügen sich gut in die Handlung ein und man möchte stätig wissen, wie es weitergeht. Lange bleibt unklar, was eigentlich damals zwischen den Jahren passiert ist. Über mehr als 25 Kapitel hinweg macht ihr euch auf den Weg das düstere Geheimnis zu lüften, welches die Mädls bis heute beschäftigt und zwischen die damals unzertrennlichen Freundinnen einen Keil getrieben hat. Irgendwas muss sie zutiefst erschüttert haben, denn die Atmosphäre in der Gegenwart ist mehr als beklemmend.

Videodreh

Ein zentrales Gameplayelement ist vor allem der VHS-Camcorder von Swann. Dieser ermöglicht es euch Umgebungen zu erkunden und besondere Momente festzuhalten/anzusehen. Die Videos könnt ihr im Menü abrufen und teilweise sogar bearbeiten. Dieses Feature trägt massiv zur Immersion bei und neben den vielen grafischen Details lässt uns gerade dies in die Atmosphäre der 90er-Jahre intensiv eintauchen.

Nebenbei stehen zahlreiche Gespräche an, in denen ihr unter Zeitdruck Entscheidungen treffen müsst – was ja schon aus Life is Strange bekannt ist. Viel mehr gibt es eigentlich spielerisch nicht zu tun. Ist der Titel daher öde? Auf keinen Fall, denn gerade das narrative Element ist wieder mehr als hervorragend gelungen und hält euch gekonnt bei der Stange.

Die Handlung nimmt aber vor allem in der ersten Hälfte nur langsam Fahrt auf und man wird ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Es gibt keine Einführung zu den Charakteren, dem Ort bzw. generell zum ganzen Rundherum. Das sorgt aber wiederum dafür, dass man mehr wissen möchte.

Auf der anderen Seite macht es gerade die Auswahl bei Dialogen schwieriger, da einem einfach die Hintergrundinformationen fehlen. Beispielsweise zu Beginn bei einem Telefonat mit Swanns Mutter. Man muss entscheiden, ob man sie später wieder mal besucht oder nicht. Man merkt zwar, dass das Mädchen gegenüber ihrer Mutter sehr distanziert ist, aber warum und ob eine Wiederversöhnung emotional Sinn macht, weiß man einfach nicht. Auch, dass es sehr oft eine „romantische Option“ gibt, in dem man beispielsweise jemanden zum Küssen bringen will, wirkt etwas aufgesetzt.

Nostalgie pur: Zurück in die 90er

Vor allem 90er Kinder wie ich fühlen sich beim Setting pudelwohl. Das Retro-Feeling wurde perfekt eingefangen. Die jugendliche Unbeschwertheit kommt hier sehr gut zur Geltung. Man fühlt sich sofort an frühere Zeiten erinnert. Selbst die Qualität des Camcorders ist purer Charme. Zahlreiche Details zaubern euch ein Schmunzeln auf die Lippen: Ein Akte X-Poster an der Wand, VHS-Hüllen aus der Videothek, ein Tamagotchi, das man tatsächlich benutzen kann – überall gibt es kleine Details und Anspielungen auf die damalige Popkultur.

Der gesamte Titel ist in warmen, nostalgischen Farben gehalten, was perfekt zur 90er-Jahre-Atmosphäre passt. Besonders die Beleuchtung und die Lichteffekte tragen viel zur melancholischen und verträumten Stimmung bei. Die Bildrate bleibt immer stabil und die Charaktermodelle wurden ausdrucksstark designed. Auch wenn es verdammt gut aussieht, darf man sich keine grafische Höchstleistung erwarten, da der Titel vielmehr durch die einzigartige Atmosphäre besticht.

Wie man es von Don’t Nod gewohnt ist, trägt auch die Soundkulisse intensiv zum Spielerlebnis bei. Der Soundtrack ist wieder ein echtes Highlight – geprägt von einem Mix aus Indie Rock, Alternative und vielem mehr. Auch hier fühlt man sich wieder richtig gut in die 90er zurückversetzt. Effekte und Umgebungsgeräusche klingen ebenfalls klasse, auch wenn es vielleicht nur das Summen des alten Röhrenfernseher ist oder das Klicken einer Kassette im Walkman.

Die Synchronisierung ist in englischer Sprache, es gibt aber deutsche Untertitel. Die Sprecher verleihen den Charakteren eine glaubhafte Note und transportieren die Story gut.

UPDATE zu Tape 2

Der zweite Teil der Lost Records-Reihe rückt die Auflösung der geheimnisvollen Ereignisse von 1995 in den Fokus. Dabei wird wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und hergesprungen, um die komplexen Beziehungen der Figuren aufzuarbeiten.

Obwohl die Geschichte emotional packend erzählt ist und die Charaktere – insbesondere Swann – viel Tiefe besitzen, hinterlässt das Spiel inhaltlich gemischte Gefühle. Viele Handlungsstränge bleiben unvollständig oder wirken überhastet. Ohne zu Spoilern sei gesagt, dass das Ende irgendwie unbefriedigend wirkt, immerhin endet auch Tape 2 mit einem Cliffhanger.

Spielerisch gibt es ebenfalls Rückschritte: Das zuvor originelle Camcorder-Feature wird stark reduziert, und die Interaktion mit der Spielwelt ist oft eingeschränkt oder wirkt unfertig. Auch kleinere Design- und Logikprobleme stören den Spielfluss. Hinzu kommen technische Mängel wie Übersetzungsfehler, schwache Dialoge und gelegentlich hölzerne Vertonung.

Mit einer Spielzeit von nur vier bis fünf Stunden wirkt der zweite Teil deutlich kürzer und weniger liebevoll umgesetzt als sein Vorgänger. Trotz atmosphärischer Stärken und überzeugender Figuren verliert Tape 2 durch seine erzählerischen und technischen Schwächen an Wirkung.

FAZIT:

Lost Records: Bloom & Rage bringt euch zurück in die 90er. Es überzeugt mit einer genialen Handlung, die nur so vor Atmosphäre und 90er-Flair sprüht. Die nostalgische Inszenierung, der passende Soundtrack und viele kleine Details und Anspielungen auf die damalige Popkultur tragen gekonnt zu einem stimmungsvollen Spielerlebnis bei. Während Tape 1 noch sehr vielversprechend ist, lässt Tape 2 erzählerisch und technisch deutlich nach. Vom Gameplay her gibt es zwar wenig zu tun, aber es ist das perfekte Spiel um sich einfach fallen zu lassen und einer genialen Story zu folgen. In Tape 2 wird das Camcorder-Feature stark reduziert, was sehr schade ist. Zwar nimmt die Handlung nur langsam Fahrt auf, aber in Summe werdet ihr mit einer emotionalen Reise in die Vergangenheit belohnt. Wer Life is Strange mochte und auf diese Art von Genre steht, der darf diesen Titel auf keinen Fall verpassen.

PRO:
90er-Jahre Feeling
Emotional packende Story
Genialer Soundtrack
Gelungene Atmosphäre

CONTRA:
Handlung nimmt nur langsam Fahrt auf
Manche Dialogentscheidungen wirken künstlich
Anfangs wenig Infos zu den Charakteren
Wenig Abwechslung im Gameplay

Grafik: 8
Sound: 10
Gameplay: 7
Story: 9
Spielespaß: 8
Wertung Tape 1: 8
Wertung Tape 2: 7.5

GESAMT: 7.8/10

Danke an Dont Nod für die Bereitstellung des Testmusters.

verfasst von „Ulrich“

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Letzte Aktualisierung: 22.04.2025, 17:43 Uhr