Spieletest: Mystery Dungeon: Shiren the Wanderer NDS

Screenshot Screenshot Screenshot

Weitere Infos

Releasedate:
20. März 2008

USK 6 WiFi unterstützt MyNintendo nicht

Anzahl der Spieler: 1

Leser-Meinungen: Noch keine

Spiel kaufen: Bei Amazon.de bestellen

Specials: Spiel englisch, Bedienungsanleitung deutsch

Plus / Minus

Positiv:
konsequenzbehaftetes Spielen
fesselndes Item-System
witzige Charaktere
Negativ:
hohes Frustrationspotenzial
grafisch altbacken

Shiren the Wanderer hat schon anno 1995 mein Interesse geweckt, zu gerne hätte ich mich als Held mit der markanten Kopfbedeckung und seinem Wiesel Koppa ins Abenteuer um den sagenumwobenen Goldenen Kondor und El Dorado gestürzt. Beim Durchstöbern des Total!-Magazins fiel mir das Super-Nintendo-Spiel auf, das seinerzeit leider nicht in westlichen Gefilden veröffentlicht wurde. Die Freude war also groß, als mir das Spiel nach über zehn Jahren als DS-Modul kürzlich in die Hände fiel. Besser spät, als nie…

Tu mir weh!

Ich hatte allerdings keine Ahnung, was mich erwarten sollte. Selten bin ich einem derart bestrafenden Spiel begegnet. Shiren weckt den Masochisten in euch. Nichtsdestotrotz bietet es euch eine ganz außergewöhnliche Spielerfahrung, bei der eure Vorgehensweise gravierende Konsequenzen nach sich zieht. Warum das so ist, verrät ein Blick auf das Spielprinzip. Mystery Dungeon ist ein sogenanntes „Roguelike“, benannt nach dem zweidimensionalen Dungeon-Crawler „Rogue“ aus dem Jahre 1989. Charakteristika dieses Subgenres sind per Zufall generierte Dungeons, rundenbasierte Kämpfe und das Sammeln von Erfahrungspunkten. Und genau in diese Kerbe schlägt Shiren: Ausgehend von einem Dörfchen an einem Kanyon kämpft ihr euch durch verschiedenartige, immer wieder anders zusammengesetzte Dungeons und schnappt euch die Items, die sich in den Levels befinden. Zwischen den Verließen kehrt ihr immer wieder in Dörfern ein, um einzukaufen oder zu pausieren und – ganz wichtig – starke Waffen in den dortigen Speicherhäusern abzulegen. Die große Brisanz entsteht nämlich einerseits durch das sehr eingeschränkte Speichersystem. Mystery Dungeon speichert nicht etwa eure Erfahrungspunkte oder eure Position im Spiel ab, sondern lediglich die Items, die ihr in den erwähnten Lagerhäusern aufbewahrt. Andererseits bestraft euch das Spiel gnadenlos, wenn ihr das Zeitliche segnet. Ihr verliert nicht nur alle Erfahrungspunkte und das bis dahin eingesammelte Geld (so genannte „Gitans“), sondern auch die seltenen oder mühsam aufgelevelten Waffen, die ihr in dem Moment bei euch tragt. Als wäre das noch nicht genug, müsst ihr obendrein das Abenteuer wieder ganz von vorne beginnen. Kein Scherz.

Noch problematischer gestaltet sich euer Abenteuer durch die Tatsache, dass Shiren the Wanderer in einem Rutsch nicht durchzuspielen ist. Spätestens nach dem dritten Dorf namens „Mountaintop Village“ habt ihr keine Chance mehr ohne ein verbessertes Schwert. Für euch bedeutet das ganz konkret, dass ihr recht früh eine starke Waffe wie etwa das „Master Sword“ findet, auf eurem Weg zum nächsten Dorf hoffentlich überlebt, Geld sammelt und einen Schmied aufsucht, um die Waffe um eine Stufe aufzuwerten. Nun legt ihr diese im Speicherhaus ab und startet das Spiel von vorne oder marschiert zurück ins erste Dorf, wo ihr auf Level eins zurückversetzt werdet (!). Ihr kämpft euch wieder durch die Dungeons, sammelt fleißig Geld und Items, bis ihr zu dem Dorf gelangt, wo ihr die die Klinge deponiert habt. Lasst sie erneut vom Schmied bearbeiten, legt sie wieder ab und fangt von ganz vorne an. Stunde für Stunde. Ihr müsst folglich sehr gut überlegen, wann ihr dieses Schwert nehmt, um im Spiel voranzukommen und zum nächsten Dorf aufzubrechen, es dort in Verwahrung zu geben und wieder verstärkt. Scheitert ihr jedoch auf dem Weg dorthin, mit dem Eisen in der Hand, geht die Waffe verloren und alle Arbeit war umsonst. Und das Scheitern innerhalb der Dungeons fällt gar nicht einmal so schwer…

Wie bitte? Mein Schwert ist ein Reisball? Für immer?!

Nervenaufreibend sind zudem die zahlreichen Fallen, die innerhalb der Dungeons auf euch warten. Da sind zum einen Monster, die wertvolle Gegenstände (auch stundenlang aufgelevelte Waffen!) in einfache Reisbälle umwandeln oder stehlen, versteckte Bodenplatten, die Horden von Monster (und damit den sicheren Tod) herbeizaubern oder eure Ausrüstung rosten lassen. Dann gibt es da noch die unsäglichen, von Monstern getränkten Hallen, die sich als schockierende Überraschung ganz zufällig zwischen die Levels mischen. Die Entwickler von Chunsoft waren so freundlich, dem DS-Remake einen Rettungsmodus zu spendieren, der über die Wi-Fi Connection von Statten geht. Seid ihr gestorben, könnt ihr online um Hilfe bitten: entweder einen Freund oder anonym die Shiren-spielende Teilöffentlichkeit. Das ist zwar ein nettes Feature, das „die Banden zwischen den Wanderern stärkt“, gleichzeitig aber auch mit Mühe verbunden ist: Ihr müsst vom Anfangsdorf zu der Stelle aufbrechen, wo euer Bruder im Geiste gescheitert ist und ihn mit einem Rettungszauber wiederbeleben. Das bedeutet für den Retter Risiko und vor allem: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Warum sollte man sich bei so viel potenzieller Frustration überhaupt mit Shiren auseinandersetzen?

Die Frage ist einfach zu beantworten: Die Spielmechanik ist wirklich gut. Die Dungeons werden als große Schachbretter angepriesen. Das ist sicherlich eine Übertreibung. Aber nach jedem eurer Schritte oder jedem Angriff bewegen sich alle Charaktere und Gegner auf der Karte ebenfalls. Euren Aktionen liegt also durchaus ein taktisches Element zugrunde. In den Verließen geht es vornehmlich darum, Items einzusammeln und den Ausgang zur nächsten Stufe zu finden, ohne von den Monstern getötet zu werden. Zwar sehen die Landschaften jedes Mal ein bisschen anders aus, jedoch werden des Öfteren wirklich schwache Dungeons kreiert, bei denen sich beispielsweise der Ausgang in dem Raum befindet, den ihr gerade betreten habt. Da verliert das spannende Durchforsten der verzweigten Gänge natürlich seinen Reiz. Positiv fällt das vielseitig einsetzbare Potpourri an interessanten Schriftrollen, Holz- und Eisenpfeilen als Distanzwaffen, Zauberstäben und Kräutern auf, die das Gameplay mit beachtlicher Tiefe ausstatten. Einige Schriftrollen lassen die Monster in eurer unmittelbaren Umgebung einschlafen, andere decken die anfangs verdeckte Karte des Levels mit allen seinen Fallen vollständig auf. Bestimmte Zauberstäbe paralysieren die Gegner, andere schleudern sie zurück. Die Kräuter heilen euch, befreien euch vor unerwünschten Krankheiten oder erhöhen eure Angriffsstärke. Es ist wirklich beachtlich, dass ihr die meisten Items trotz ihrer zahlreichen Effekte nutzen werdet – das Spiel bietet einfach viele Anwendungsmöglichkeiten und damit ein hohes Maß an spielerischer Freiheit. Shiren the Wanderer mag ein verteufelt schweres Spiel sein, andererseits ist es wunderbar durchdacht und tiefgründig. Besonders wird dies an Feys Puzzles deutlich, denen ihr euch in einer Hütte im Ausgangsdorf stellt. Dabei handelt es sich um kleine Dungeons, die ihr immer auf Erfahrungsstufe eins und ohne Items im Gepäck betretet. Ein Puzzle gilt dann als bestanden, wenn ihr den Raum über den Ausgang verlasst. In den fünfzig Prüfungen wird nicht nur fast jeder Gegenstand und dessen Gebrauchsanweisung erklärt, sondern auch von euch abverlangt, diesen (oft in Verbund mit anderen) sinnvoll einzusetzen. Das ist in den höheren Stufen sehr knifflig: Jede Aktion will überlegt sein, da übermächtige Gegner euch ansonsten schnell den Weg abschneiden und euer Entkommen verhindern. Die Herausforderungen sind sehr stimmig, herrlich taktisch und definitiv ein Höhepunkt des Spiels. Wem es einmal nicht nach mühsamer Item-Jagd steht, der kann hier für kurze Zeit die grauen Zellen bemühen.

Restauration? Fehlanzeige.

Dass Shiren the Wanderer bereits 1995 erschien, ist der DS-Version deutlich anzusehen. Außer der wahlweisen Steuerung mit dem Touchpen und der auf dem oberen Schirm eingeblendeter Fortschritt halten sich die Neuerungen in Grenzen – vor allem optisch. Die Dungeons machen nicht viel her, was sicherlich auf die zufällige Bauweise zurückzuführen ist. Ihr erkennt zwar, dass es sich um unterschiedliche Höhlen, Katakomben, Wälder oder Berge handelt, die Strukturenvielfalt hält sich aber in Grenzen. Aufgefrischt wird das Ganze durch skurrile Charaktere, die sich in den Dörfern herumtreiben oder in den Dungeons herumstreunern. Neben einem (zunächst) talentfreien Masseur fällt vor allem Shiren dicklicher Bruder Pekeji auf, der sich von einem Tollpatsch zu einer echten Hilfe innerhalb der Dungeons entwickelt, vorausgesetzt ihr füttert ihn mit genügend Reisbällen. Der Sound lässt sich zweifelsohne als eine Stärke des Spiels bezeichnen. Die Melodien sind absolut eingängig und gehen rasch ins Ohr. Ein Hoch auf den Soundtrack!

Shiren the Wanderer ist ein Spiel für Hardcore-Gamer, die so schnell kein Wässerchen trüben kann. Das Game vergibt euch keine Fehler und macht mit einem Mal die Auflevel-Arbeit (Ist Arbeit nicht eigentlich das Gegenteil von Spiel?) von Stunden zunichte. Dennoch macht das vielleicht auch für viele den Reiz des Spiels aus: Eure Handlungen sind mit weit reichenden Konsequenzen verbunden – es steht alles auf dem Spiel. Das trägt nicht nur zur Spannung bei, sondern offenbart auch eine Oldschool-Videospielerfahrung aus den Zeiten, als die Gamer noch hart und die Abenteuer gnadenlos waren. Yeeha.

Fazit

Mystery Dungeon: Shiren the Wanderer ist ein ungewöhnlich gnadenloses Spiel, das euch keine Fehler verzeiht und rasch wieder von ganz vorne beginnen lässt. Den besonderen Reiz macht das Spiel einerseits dadurch aus, dass sich die Spieler der krassen Konsequenzen ihres Handelns im Spiel bewusst werden müssen, andererseits durch eine sehr stimmige Spielmechanik und Items, die vielseitig einsetzbar sind. Wer eine sehr pure Spielerfahrung erleben möchte und auch bereit ist, für seinen Fortschritt im Spiel mehr zu arbeiten als zu spielen, wird mit Shiren the Wanderer glücklich werden.

Grafik
6
Sound
8
Gesamt
8

verfasst von „Mana Drache“

Diesen Artikel teilen:

Vielen Dank an die Firma SEGA für die Bereitstellung des Testmusters.
Letzte Aktualisierung: 31.März.2008 - 15:12 Uhr