GC 2007: Alles casual, oder was? Ein Erklärungsversuch.

GC 2007: Alles casual, oder was? Ein Erklärungsversuch.

Die Games Convention 2007 war eine besondere Messe. Ich meine jetzt nicht, dass besonders viele Weltpremieren oder qualitativ hochwertige Spiele gezeigt wurden: Die Games Convention stand in diesem Jahr schlichtweg unter einer ganz anderen Prämisse. Paradigmenwechsel, so würde es Satoru Iwata wohl ausdrücken. Insbesondere im Konsolenbereich klang der Tenor fast einhellig: Markterweiterung durch neue Spielkonzepte mit Nutzwert, die Hirn und Hüfte fit machen, die den Wortschatz optimieren, die Mädchen vor die Bildschirme locken, die einfach für Wohlbefinden in jedem Alter sorgen oder integrativ die ganze Familie zum Spielen bringen: Wii Fit, Mehr Gehirn-Jogging, Sophies Freunde, Disney Friends, Mein Wortschatz-Coach oder Boogie zählen zu Vertretern dieses Konzepts. Keine überhöhten Entwicklungskosten mehr, leichter Zugang für alle Altersgruppen dank neuartigen Steuerungsmöglichkeiten von Wii und DS. Aber haben wir das nicht schon einmal irgendwo gehört? Ja, genau vor einem Jahr, als Nintendo erstmals das Casual Gaming mit Wii stark in den Vordergrund gestellt hat. Betrachtet man die Berichterstattung vor allem in der überregionalen Tagespresse wie etwa in der Süddeutschen Zeitung oder in der FAZ, so scheint die Nachricht nun, nach einem Jahr, endlich angekommen zu sein.

Nintendo hat etwas bewegt.

Die Verkaufszahlen von Wii sind ausgesprochen gut (über 300.000 verkaufte Einheiten seit der Einführung, beim DS sind es seit 2005 etwa 2 Millionen), die Konkurrenz aus dem Hause Sony oder Microsoft versucht mit Preissenkungen oder Bonus-Spielen mitzuhalten. Damit nicht genug: Wii hat die XBox 360 in Deutschland, Frankreich und Spanien überholt. Für das starke Wachstum der Branche ist Nintendo in Deutschland mit einer Gewinnverdopplung und schwächelnden Konkurrenten fast allein verantwortlich: Laut dem Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (kurz: BIU) beträgt der Umsatz der Branche im ersten Halbjahr 2007 550 Millionen Euro, 100 Millionen mehr als im ersten Halbjahr 2006, was einem Wachstum von 17% im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr werden nach einer Prognose von Bitkom auf Basis des ersten Halbjahres 2007 im gesamten Jahr 28% mehr Konsolen verkauft. Das entspricht dann 3,7 Millionen verkaufte Einheiten. Das hat wohl auch namhafte Publisher wie Ubisoft und Electronic Arts überzeugt: „Spiele für mich“ tönt es aus dem Ubisoft-Marketing: „Ob jung oder alt, Frau Mann - Spielen macht Spaß, und zwar allen Menschen“, schreibt man in der Werbebroschüre, casual Layout, viele Gesichter, herzlich lachende Frauen auf dem Cover. Bei Electronic Arts gibt´s „Spiele für alle“. In der Pressemitteilung heißt es: „Games Convention 2007: EA spricht verstärkt neue Zielgruppen an und stellt Highlights der nächsten Monate vor“. Schlenderte man durch die Hallen der Messe, fand man allerorts Anzeichen auf einen „Wandel“. Sony spendierte SingStar eine riesige Fläche mit Wohnzimmer-Flair, auf der sich vermehrt junge Frauen tummelten. Das Mädchen-Magazin hatte einen eigenen Stand samt Foto-Shooting und Make-up-Artists; nicht weit davon entfernt, ebenfalls in dem neuen Messebereich GC Family, war ein kleiner Plüsch-Streichelzoo aufgebaut, in dem die neusten Ponyhof- und Tierspiele zum Testen bereit standen. Das soll jetzt keineswegs heißen, dass Hardcore-Gamer ganz verdrängt worden wären: Vor den Kabinen von BioShock, FarCry 2 oder Crysis warteten ganze Spielertrauben auf Einlass – schließlich handelt es sich dabei auch um erstklassige Spiele.Dennoch: Größeres öffentliches Interesse erregten die „neuen“ Spielideen, die dem Spielemarkt ein ganz anderes Gesicht verleihen wollen. Jedes dieser Spiele ruft: „Spiel mit mir oder lern etwas dazu, ich bin ganz einfach zu bedienen.“ Für mich war es eine im wahrsten Sinne des Wortes „spannende“ Games Convention – die Spannung zwischen den Angeboten für Intensiv-Zocker und den Casual Games war überall vernehmbar.

Von wegen Frechheit! Klare Positionierung!

Aber keine Firma hat sich so konsequent auf den Bereich Casual Games fokussiert wie Nintendo. Manche nennen es Frechheit, ich würde es als konsequent bezeichnen. Sicher möchte der Hardcore-Spieler Metroid Prime Corruption 3 oder Super Mario Galaxy anspielen, aber für mich ist es nur verständlich, dass Nintendos Marketing in dieser „Aufbruchsstimmung“ sehr genau steuern möchte, welche Botschaft sie über ihren Stand nach außen geben möchten: Nicht Super Mario, sondern Wii Fit, nicht Metroid Prime 3, sondern Mehr Gehirn-Jogging. Diese Botschaft an die Spieler, an die Öffentlichkeit, an die Entwickler muss unmissverständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sein. Gerade dieses Jahr ist entscheidend dafür, dass Nintendo nicht nur in Japan, sondern auch in Europa richtig abhebt und sich ein neues Verständnis von Videospiel einbürgert. Das Leipziger Institut für Marktforschung hat interessante Daten ermittelt, die Nintendos Sichtweise bestätigen können: Die Besucher auf der Games Convention werden immer älter: 53% der Besucher sind über 20 Jahre alt (im Jahr 2006 waren es 45%). Auch der Anteil der weiblichen Besucher ist im Vergleich zum Vorjahr angestiegen: 20% aller Besucher waren 2007 weiblich. Ebenso hat die Messe mehr Casual Gamer angezogen: Hier gab es einen Zuwachs auf 45% (2006: 41%). Dass als erste Anzeichen des demographischen Wandels zu interpretieren, wäre verfrüht. Aber: Die Generation „50plus“ ist die am schnellsten wachsende Zielgruppe.

Mauern einreißen.

Die Herausforderung an die Spielebranche, und speziell an Nintendo, wird jetzt sein, einen „Mittelweg“ zwischen den hohen Ansprüchen der Intensivspieler einerseits und den Anforderung an ein Spiel für Gelegenheitsspieler oder Nicht-Spieler andererseits zu finden. „Wir wollen die Mauer einreißen“, so Bernd Fakesch, General Manager von Nintendo Deutschland gegenüber der Welt, „die Spieler von Nichtspielern trennt“. Soll heißen: Selbst Games für eingefleischte Spielerveteranen wie etwa Super Mario Galaxy sollen Profis und Anfänger gleichermaßen ansprechen. Neu-Spielern sollen eben diese klassischen Genres näher gebracht werden, sie sollen sie für sich neu entdecken. Soviel zur Theorie, MarioKart für Wii wird ein sehr wichtiger Titel werden, der Nintendo die Grenze zwischen den beiden Spielergruppen verschwinden lassen soll. Leider war von dem von Bernd Fakesch beschwörten Mauereinriss auf der GC 07 noch nicht viel zu sehen – die treue Nintendo-Anhängerschaft ist skeptisch. Wie Giftpilze wachsen die Casual Games (schon fast ein Feindbild) wie Carnival oder Cranium Kabookii aus dem Boden, die das Lieblingshobby mehr und mehr zersetzen und die Anstrengungen der Entwickler auf fade Minispielsammlungen und wenig immersive Gelegenheitsspielereien lenken und eben nicht auf epische Abenteuer, in denen man sich allein stundenlang verlieren kann. Doch auch hier sollte man als Nintendo-Spieler genauer hinschauen: Nintendo hat selten Spiele in die Öffentlichkeit getragen, die sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befanden. Die Games Convention soll die wichtigsten Spiele für den europäischen Markt der nächsten sechs bis zwölf Monate vorstellen. Iwata und Miyamoto kennen ihre Kernzielgruppe und wissen, dass es wichtig ist, diese mit Hochkarätern zu versorgen: Super Paper Mario, Metroid Prime 3 Corruption (IGN-Wertung: 9.5), Pokémon Battle Revolution, Super Mario Galaxy, Super Smash Brothers Brawl, MarioKart für Wii und The Legend of Zelda: Phantom Hourglass für Nintendo DS erscheinen alle recht zeitnah.

Überzeugt?

Peu à peu wird man von Nintendo neue Enthüllungen erfahren, da bin ich mir sicher. Mein Vorschlag: Die Fans sollten etwas mehr Geduld an den Tag legen: Nintendo hat einen mutigen Schritt gewagt und erntet nun in Deutschland erste Früchte. Auf der Games Convention 2007 hat Nintendo die breite Öffentlichkeit erreicht. Die für viele visionären Ideen und Versprechen konnten konkretisiert beziehungsweise erfüllt werden.

Die klare Botschaft ist in Deutschland angekommen.

verfasst von „Mana Drache“

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Letzte Aktualisierung: 27.08.2007, 23:28 Uhr