[8.12.] Ode an die Big Boxen, Strophe 2: Secret of Mana

[8.12.] Ode an die Big Boxen, Strophe 2: Secret of Mana

Ich will ehrlich sein: Ich habe Mystic Quest am Game Boy (alias Final Fantasy Adventure/Seiken Densetsu, nicht zu verwechseln mit Mystic Quest Legend von letzter Woche) geliebt und entsprechend groß war meine Vorfreude auf den Nachfolger Secret of Mana: Eine konsequente Erweiterung des genialen Spielprinzips? Noch komplexere Dungeons, eine noch wendungsreichere Story, noch ohrwurmträchtigere Melodien und das alles in SNES-gerechter Technik und simultan zu dritt spielbar? Zu schön, um wahr zu sein? Leider ja.

Versteht mich nicht falsch: Secret of Mana ist immer noch ein hervorragendes Spiel und auf seine Art einzigartig – multiplayerfähige Vertreter des RPG-/Action-Adventure-Genres im Konsolenbereich sind verdammt selten, solche wie SoM, die auch im Einspielermodus viel Spaß machen, noch rarer. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich (leider erst) 2001 an mein Modul kam und stundenlang mit Freunden und SNES-Multitap an der Lösung des Geheimnisses des Mana bastelte, ohne je das Gefühl zu haben, vom Gameplay her ein „veraltetes“ Spiel zu zocken. Und die schicke Pixeloptik, die märchenhafte Atmosphäre sowie die hübsche Musik sind ebenso alles andere als schlecht gealtert.

Nein, empfehlenswert ist SoM ohne Frage – es bleibt nur einfach in mehreren Punkten hinter dem GB-Vorgänger zurück: Die Dungeons sind zwar groß, aber relativ geradlinig und eher rätselarm, das Kampfsystem kommt nicht ganz so praktikabel wie zuvor daher (nach jedem Angriff muss erst eine kurze Weile gewartet werden, bis wieder mit vernünftiger Kraft zugeschlagen werden kann) und während in MQ wirklich jeder Boss ein individuell designtes Erlebnis für sich war und eine eigene Taktik erforderte, werden in SoM nur allzu oft bereits bekannte Endgegner wieder und wieder mit höheren Statuswerten und neuer Farbgebung ins Feld geschickt, ohne ihr Verhalten großartig zu ändern – langweilig.

Nicht nur in Marios Abenteuern spielen Pilze eine wichtige Rolle, auch das Secret of Mana-Trio bekommt es mit den Pflanze-Tier-Hybriden zu tun: Die meisten von ihnen sind bösartig, doch im entlegenen Trüffeldorf leben auch richtig nette und gesprächige Hutträger.

Eine der größten Enttäuschungen in SoM dürfte für MQ-Veteranen aber insbesondere die Story sein: War selbige in Seiken Densetsu 1 zu seiner Zeit geradezu spektakulär dynamisch und wendungsreich – als man glaubte, das Finale würde schon nahen, ging es tatsächlich erst richtig los – wird es in Teil 2 nach einem interessanten Beginn (Der junge Held zieht das titelgebende heilige Schwert Artus-Style aus einem Stein und befreit damit versiegelte böse Mächte) sehr vorhersehbar; es müssen die acht Samen des Mana-Baums gefunden werden und es wird rasch klar, dass nach dem Erreichen dieses Ziels der Showdown schon sehr nahe ist.

Noch dazu fühlt sich die Story etwas wie eine weniger gelungene Neauflage des MQ-Plots an – während Dark Lord im Vorgänger trotz der eher geringen Textfülle gleich von Beginn an herrlich fiesen Charakter hatte (er stößt den Helden gleich zu Beginn mal eben einen Wasserfall hinunter, nachdem dessen bester Freund bei den Gladiatorenspielen des Erzbösewichts sein Leben lassen musste), wirkt der namen- und gesichtslose „Imperator“ im Sequel viel zu blass und kurz angebunden, um ihn ernsthaft für den Hauptbösewicht der Geschichte zu halten; so bleibt nur das Ratespiel „Welcher seiner vier Handlanger (von denen keiner annähernd ähnlich stark wie Dark Lords Hofzauberer Julius im Gedächtnis bleibt) ist der eigentliche Schurke?“ Die einzige „richtige“ inhaltliche Wendung kennen Spieler des Originals im Wesentlichen schon, und dass eine storyrelevante Figur nach einem Ereignis im Spiel plötzlich ohne Grund spurlos verschwindet und dessen Verbleib nie geklärt wird, macht die Sache auch nicht plausibler...

Aber bleiben wir fair: Wir kennen ja das glücklose Schicksal des SNES-CD-Systems, für welches Secret of Mana eigentlich erscheinen sollte – sicherlich war es keine schöne Arbeit für die Entwickler, den Inhalt modultauglich zu reduzieren und zusammenzuquetschen; wer weiß, wie fantastisch das Programm geworden wäre, wäre tatsächlich so viel Speicherplatz wie geplant vorhanden gewesen...und wer weiß, was dann mit Final Fantasy VII geschehen wäre.

Aber genug genörgelt: Atmosphärisch versucht das Spiel wiederum gar nicht erst, allzu sehr auf dem oft düsteren und melancholischen Mystic Quest aufzubauen, sondern sprüht vielmehr vor japanophiler Fröhlichkeit und verrückten Ideen: Gereist wird als lebendige Kanonenkugel, als fliegender Händler fungiert der überaus flauschige „Wucherkater“ und der Weihnachtsmann wurde beim Versuch, mit Hilfe eines Mana-Samens den größten Weihnachtsbaum aller Zeiten zu züchten, in ein riesiges Bossmonster verwandelt. Noch seltsamer macht das ganze Geschehen Claude Moyses ebenso ikonische wie geschmacksabhängige Übersetzung, welche unter Anderem Heino einbaut oder bösartige Goblins (in dessen Kochtopf der Held landet) als Fans der„Lindenstraße“ outet. Seltsam: In der Virtual Console-Version sehen sich jene gefräßigen Wesen statt jener Soap ein Fußbalspiel an – eine halbherzige Lösung, die den (weder in der englischen noch japanischen Version enthaltenen) Anachronismus auch nicht entfernt.

Kurz: Ich will Secret of Mana keinesfalls heruntermachen – nur sah ich keinen Sinn darin, in diesem Artikel ausschließlich Loblieder zu singen, wenn ich den Titel nicht als „genial“ bewerten, sondern „nur“ mit dem Prädikat „wirklich gut“ versehen würde. Einen Einwurf, ich könne in dieser Sache kein gerechtes Urteil abgeben, da ich SoM erst vergleichsweise spät gespielt habe, kann ich nicht gelten lassen – das Erscheinungsjahr eines Spieles ist für mich grundsätzlich reichlich irrelevant, so haben mich auch 2002 Soul Blazer und 2006 Chrono Trigger gnadenlos gefesselt.

Aber mal ehrlich, ist „wirklich gut“ denn ein vernichtendes Urteil? Definitiv nicht; und so kann ich jedem RPG- und Action-Adventure-Fan, der Seiken Densetsu 2 noch nicht kennt, nur wärmstens empfehlen, für schlappe 8 Euro die VC-Version zu erwerben – oder, noch authentischer, sich nach dem SNES-Originalmodul umzusehen. Aber Vorsicht – wer seine Fühler auch schon nach Big Box und Spieleberater ausstreckt, muss bereit sein, den Preis zu zahlen...nein, das war keine melodramatische Metapher; den nur selten günstigen Kaufpreis.

Und so viel ich im Vergleich zum Vorgänger auch zu kritisieren finde – schon allein durch das Schreiben dieser Zeilen habe ich wirklich wieder Lust bekommen, mal wieder durch das Land des Manabaums zu streifen, plüschige Pogopuschel und hünenhafte Hexenhaustiere zu vermöbeln und die vielen verschiedenen, optisch abwechslungsreichen Gegenden und Dörfer zu erkunden – am Besten gleich mit zwei Mitspielern an meiner Seite.

Nur eine Frage stellt sich mir noch: Wo zum Teufel ist das Rubindiadem?! Michael Anton, hilf mir...

verfasst von „OldMacMario“

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Letzte Aktualisierung: 08.12.2010, 1:01 Uhr